# taz.de -- Zur bayerischen „Leitkultur“ verdonnert | |
> Schikanen Bayerns Kabinett hat jetzt ein eigenes „Integrationsgesetz“ | |
> beschlossen. Das hat es in sich | |
MÜNCHEN taz | „Vorkommnisse“ soll es gegeben hat, vor allem in | |
Schwimmbädern. Sie hätten ein Gesetz notwendig gemacht, das verhindert, | |
dass Bibliotheken und Bäder von „ausländischen Mitbürgern“, die die Rege… | |
nicht kennen, „entgegen den üblichen Sitten und Gebräuchen zweckentfremdet | |
werden“. | |
So steht es in der Begründung zu Artikel 17a des Bayerischen | |
Integrationsgesetzes. Demnach sollen Geflüchtete fortan präventiv über die | |
Hausordnung belehrt werden sollen, wenn sie eine öffentliche Einrichtung | |
besuchen. Das Gesetz hat vergangene Woche das Kabinett passiert – | |
überraschend geräuschlos, dabei geht es um einiges weiter als das scharf | |
diskutierte Integrationsgesetz des Bundes. Es hebt die Schulpflicht für | |
Kinder in Aufnahmeeinrichtungen auf, streicht Landesleistungen für | |
Menschen, die unter falschem Namen nach Deutschland eingereist sind, und | |
führt eine Extremismusklausel ein. Und „schon, um nicht diskriminierend zu | |
sein“, soll es für alle Bayern gelten. | |
Der freiwillige bayerische Verfassungsrichter Dr. Klaus Hahnzog fürchtet, | |
an der Tür zum Schwimmbad könnten in Zukunft alle Menschen mit dunkler | |
Hautfarbe künftig auf ihren Aufenthaltsstatus überprüft werden, um | |
herauszufinden, ob sie Asylsuchende sind und Belehrung über die Hausregeln | |
benötigen. „Verfassungsrechtlich bedenklich“ nennt er das. Sobald das | |
Gesetz den Landtag passiert, möchte er eine Verfassungsbeschwerde | |
einreichen. | |
Besonders brisant findet Hahnzog den Begriff der „bayerischen Leitkultur“. | |
Der taucht im Gesetz an verschiedensten Stellen auf: Schulen und Medien | |
sollen sich daran orientieren, Kinder anhand von ihr erzogen werden. „Aber | |
definiert wird der Begriff nirgendwo“, sagt Hahnzog. „Man kann nicht | |
Rechtsfolgen an ein Wort knüpfen, von dem nicht klar ist, was es bedeutet.“ | |
Gleichzeitig sieht Hahnzog die Gefahr der Vorverurteilung: Zum Beispiel, | |
wenn Asylunterkünfte generell zu „gefährlichen Orten“ erklärt werden, an | |
denen die Polizei fortan alle Menschen im Umkreis kontrollieren darf. Oder | |
wenn Menschen, die einen Sprachkurs nicht mit „erwartbaren“ Ergebnissen | |
abschließen, die Kosten für den Kurs selbst tragen sollen. | |
Und dann sind da noch die Extremismusklauseln, die in der Mitte des | |
Gesetzestexts versteckt sind: Artikel 14 sieht Strafen von bis zu 50.000 | |
Euro für Menschen vor, die öffentlich dazu aufrufen, einer anderen | |
Rechtsordnung als der „verfassungsmäßigen Ordnung“ zu folgen. Und Artikel | |
13 verpflichtet Menschen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung | |
ablehnen, zu einem Grundkurs zum Thema „Werte der | |
freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. In den Genuss soll jeder kommen, | |
der das staatliche Gewaltmonopol ablehnt – oder dem die „Rechts- und | |
Werteordnung“ gleichgültig ist. Wer sich weigert, wird mit einer Geldstrafe | |
belegt. | |
Die beiden Abschnitte gelten nicht nur für Geflüchtete, sondern für jeden. | |
Treffen sich also bald Antifaschisten, Islamisten und Pegida-Demonstranten | |
auf einer Werte-Weiterbildung? „Pegida-Demonstranten wohl eher nicht“, sagt | |
Hahnzog. „Aber bei denjenigen, die Pegida blockieren, stellt sich schon die | |
Frage, ob sie nicht bereits unter das Gesetz fallen.“ | |
Erfahren wird man das wohl erst in der praktischen Auslegung des Gesetzes. | |
Falls es nicht direkt nach der Einführung wieder gekippt wird. Hahnzogs | |
Entschluss, zu klagen, steht auf jeden Fall fest. Laura Meschede | |
17 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Laura Meschede | |
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