# taz.de -- Rechte demonstrieren am Gedenkort | |
> Kriminalität Wie Rechtsextreme versuchen, aus einem Todesfall in Bad | |
> Godesberg Kapital zu schlagen | |
Bild: Freunde trauern um den 17-jährigen Niklas P. | |
BONN taz | Die Stimmung an diesem Samstag ist gedrückt. Die Polizei hat | |
zwar Gitter und Hunderte Beamte aufgefahren, um eine Rangelei von | |
Rechtsextremen und linken Gegendemonstranten zu verhindern. Aber bei den | |
Nazi-Gegnern besteht wenig Lust, sich die üblichen Scharmützel zu liefern. | |
Auf ihrer Kundgebung wird immer wieder ruhige Musik gespielt, man singt | |
zusammen „We shall overcome“. Die üblichen „Nazis raus!“-Rufe kommen n… | |
zögerlich und werden erst lauter, als die Rechtsextremen direkt | |
provozieren. | |
Bevor die 40 Rechtsextremen mit ihrer Demonstration beginnen, stehen | |
Dutzende Menschen rund um den Ort, an dem Niklas P. verprügelt wurde. Sie | |
legen Blumen nieder und stellen Kerzen auf. Freunde und Bekannte von Niklas | |
haben ihm Botschaften geschrieben. Sie sitzen auf einer Bank und starren | |
auf Blumenmeer und Bilder. | |
Am Wochenende zuvor war der 17-jährige mit Freunden beim Fest „Rhein in | |
Flammen“ gewesen. Als sie sich am Abend auf den Rückweg in ihren Heimatort | |
Bad Breisig am Rhein begeben wollten, wurden sie am Bahnhof in Bad | |
Godesberg von drei Männern attackiert. Niklas P. erlitt schwere | |
Verletzungen und fiel ins Koma. Eine Woche nach dem Angriff verstarb er in | |
der Nacht vom 12. auf den 13. Mai. Bis heute hat die Polizei keine Spur von | |
den Tätern. | |
Weil die Polizei erklärt hatte, nach Zeugenaussagen hätten zwei der Täter | |
„dunkle oder auch braune Haut“ und sprächen akzentfrei Deutsch, versuchen | |
Rechtsextreme, aus dem Fall Kapital zu schlagen. Keine drei Meter vom | |
Tatort entfernt begannen sie am Samstag mit ihrer Demonstration. Die | |
Polizei schloss dafür nach und nach den Zugang zu der provisorischen | |
Gedenkstätte, damit sich keine Gegendemonstranten dort sammeln konnten. In | |
der folgenden Stunde war der Platz in der Hand der Nazis. | |
Dass sie, wie offiziell angekündigt, „gegen Gewalt“ demonstrierten, war nur | |
schwer zu glauben. Zu viele der Rechten trugen T-Shirts der „Hooligans | |
gegen Salafisten“ oder Szeneshirts mit Sprüchen wie „Attack is the best | |
form of defence“. In ihren Reden erklärten sie Niklas zum Opfer der | |
deutschen Asylpolitik, die das Ziel habe, das deutsche Volk zu zerstören. | |
Durch Flüchtlinge und Migranten sei ein sicheres Leben in Deutschland nicht | |
mehr möglich, behaupteten sie; man könne sich nur noch schwer aus dem Haus | |
trauen. Das kleine Häuflein an Demonstranten wird zu Widerstandskämpfern | |
verklärt. | |
Die Demonstration angemeldet hatte Melanie Dittmer. Sie ist seit mehr als | |
20 Jahren in der extremen Rechten aktiv. In Düsseldorf demonstrierte sie | |
immer wieder mit ihrem eigenen Ableger der Pegida-Bewegung, „Dügida“. Erst | |
im April wurde sie wegen Volksverhetzung verurteilt. Vor einer Düsseldorfer | |
Moschee hatte sie von „Salafistenschweinen“ und „pädophilen Muslimen“ | |
gesprochen. Der Bonner Polizei gelang es, Dittmer ein Redeverbot für die | |
Demonstration am Samstag zur Auflage zu machen. Als zu groß sah man die | |
Gefahr, dass die rechte Aktivistin wieder volksverhetzende Reden schwingen | |
würde. | |
Dittmer reagierte angesäuert und kündigte für die kommenden Wochen weitere | |
Demonstrationen an. Nach dem Ende der rechtsextremen Demonstration kehrte | |
in Bad Godesberg aber erst einmal wieder Ruhe ein. | |
Sebastian Weiermann | |
17 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Weiermann | |
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