# taz.de -- "Auf dem Gelände befand sich eine Synagoge" | |
> Keller Auf dem Areal des Tacheles wird gebaut.Ein Archäologe sagt: Erst | |
> muss gegraben werden | |
taz: Herr Elfert, Sie haben auf dem Areal neben dem ehemaligen Tacheles | |
dafür gesorgt, dass archäologische Grabungen durchgeführt werden. Warum? | |
Eberhard Elfert: Seit einiger Zeit steht das Projekt, dass dieses Areal | |
bebaut werden soll. Da die Gegend schon sehr früh besiedelt wurde, habe ich | |
auf einer Veranstaltung zu dem Projekt nachgehakt, ob denn überhaupt | |
Untersuchungen des Grund und Bodens durchgeführt werden. Daraufhin wurde | |
mir mitgeteilt, dass das Gelände früher sumpfiges Gebiet und deshalb nicht | |
bebaut war. Das kann natürlich nicht stimmen, als Historiker weiß man das. | |
Haben Sie sich danach direkt an die Bauherren gewandt? | |
Nein, den direkten Zugang zu den Bauherren hatte ich nicht. Nachdem ich mir | |
noch mal in Ruhe alte Pläne des Geländes angeschaut hatte, habe ich die | |
Denkmalschutzbehörde informiert, aber vorerst keine Reaktion erhalten. Dann | |
jedoch hat ein Journalist nachgefragt, und nach Eingreifen dieses | |
Journalisten ist man aktiv geworden. | |
Was tut der Bauherr nun? | |
Er führt archäologische Grabungen durch, allerdings nur dort – und das | |
finde ich sehr schwierig –, wo früher keine Gebäude gestanden haben. Auf | |
dem Areal gibt es noch alte Keller. Ausgerechnet die will der Bauherr ohne | |
archäologische Untersuchung abreißen. Das, finde ich, ist ein Skandal. | |
Sie sprechen von Kellern. Was befanden sich denn für Gebäude auf dem | |
Gelände? | |
Es befand sich unter anderem eine äußerst wichtige und auch für die | |
Architekturgeschichte bedeutende Synagoge aus dem Jahr 1854 auf dem | |
Gelände, die in der Pogromnacht in Brand gesteckt und später im Zweiten | |
Weltkrieg weiter zerstört wurde. Es war die erste reformierte Synagoge, in | |
der zum Beispiel Männer und Frauen gleichberechtigt beten konnten. 2006 | |
wurde dort auf Initiative der Jüdischen Gemeinde eine Gedenktafel | |
aufgestellt. Wie man sich über so etwas einfach hinwegsetzen kann, finde | |
ich sehr unangemessen. Ich habe deshalb auch mit der Jüdischen Gemeinde | |
Kontakt aufgenommen. | |
Was erwarten Sie für Funde bei den Grabungen? | |
Ich gehe davon aus, dass es sich eher um alltagskulturelle Gegenstände aus | |
dem 16. bis 17. Jahrhundert handelt – oder noch ältere. Vielleicht sind es | |
auch noch Gegenstände aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die haben zwar | |
keinen materiellen Wert, sind aber dennoch von großem Wert, um mehr über | |
das Berlin in diesen Tage zu lernen. Außerdem könnten sich in den Kellern | |
der Synagoge noch rituelle Gegenstände, die für die Jüdische Gemeinde | |
bedeutsam sind, befinden. | |
Was sollte Ihrer Meinung nach denn jetzt geschehen? | |
Zum einen müssen alle Keller, auch die der Synagoge, behutsam aufgegraben | |
werden. Zum andern sollte der Bauherr verpflichtet werden, an gleicher | |
Stelle einen öffentlich zugänglichen Erinnerungsort einzurichten, mit einer | |
Gedenktafel für die Synagoge, die die gleiche Größe, den gleichen Text und | |
die gleichen Abbildungen der bisherigen Tafel enthält. | |
Interview Johann Florin | |
9 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Johann Florin | |
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