# taz.de -- Die goldene Stimme von Afrika | |
> xJazz FestivalPat Thomas und seine Kwashibu Area Band spielten Highlife | |
> im Bi Nuu. Das erinnerte an eine Zeit, in der viele ghanaische Musiker | |
> nach Deutschland kamen | |
Bild: Pat Thomas beschwört die Highlife-Power | |
von Stephan Szillus | |
Zehn Kreuzberger Clubs. Bis zu fünf Künstler und Bands pro Abend. Ein | |
Spektrum von Jazz über Elektronik bis Weltmusik und sogar HipHop. Das seit | |
Mittwoch stattfindende xJazz Festival will als das junge, frische | |
Gegenmodell zum angestaubten Jazzfest Berlin gelten. Im Bi Nuu spielte am | |
Donnerstagabend der ghanaische Highlife-Sänger Pat Thomas mit seiner | |
Kwashibu Area Band. Für den 64-Jährigen war es der Auftakt einer großen | |
Festivaltour. | |
Jazz ist dank erfolgreicher Platten von Kamasi Washington oder Robert | |
Glasper auch bei Menschen unter 50 wieder angesagt. Das Bi Nuu ist an | |
diesem Abend gut gefüllt, alle Altersgruppen vertreten. Der hagere Sänger, | |
den sie in seiner Heimat „The Golden Voice of Africa“ nennen, hat das | |
Publikum vom ersten Moment im Griff. Seine Stimme klingt beeindruckend | |
klar. Wenn er gerade nicht singt, bearbeitet der Mann mit dem | |
Isaac-Hayes-Bart zwei brusthohe Trommeln. | |
Die Band spielt druckvoll auf den Punkt, besonders hervorzuheben ist | |
Multi-Instrumentalist Kwame Yeboah, der virtuos zwischen Gitarre und Orgel | |
wechselt, aber auch die Horn Section, bestehend aus dem in Berlin lebenden | |
Amerikaner Ben Abarbanel-Wolff am Saxofon und dem Berliner Philip Sindy an | |
der Trompete. Die Kwashibu Area Band spielt reinen, unverdünnten Highlife. | |
Die Songs stammen mehrheitlich von dem 2015 erschienenen Album „Pat Thomas | |
& Kwashibu Area Band“. Jeder der acht Songs darauf ist ein kleiner, | |
tanzbarer Hit. | |
Das Album, das letzten Sommer über das renommierte britische Strut-Label | |
veröffentlicht wurde, war Thomas’ erste internationale Veröffentlichung | |
seit über zehn Jahren. Es wurde in Accra aufgenommen, ohne elektronische | |
Hilfsmittel, ganz wie die klassischen Highlife-Platten der siebziger Jahre. | |
Der Ghanaer Kwame Yeboah und der Amerikaner Ben Abarbanel-Wolff waren es, | |
die Thomas zu den Aufnahmen bewegten. Die Songs basieren auf alten | |
Kompositionen von Thomas, der nigerianischen Afrobeat-Legende Tony Allen | |
und Ebo Taylor, unter dessen Leitung Thomas einst, im Accra der frühen | |
siebziger Jahre, in der Band Blue Monks spielte. | |
Thomas, der aus einer Musikerfamilie stammt, war nach seiner frühen | |
Karriere im Ghana der Siebziger nach London und später nach Kanada | |
migriert, lebte aber auch eine Weile in Berlin. Ende der siebziger Jahre | |
bekamen Ghanaer relativ leicht deutsche Visa. Die politischen Unruhen im | |
Land brachten Pat und viele andere westafrikanische Musiker nach | |
Deutschland, vornehmlich Berlin oder Hamburg. Hier entstand in den | |
achtziger Jahren der sogenannte Burger-Highlife, in Deutschland produzierte | |
Disco-Schlager-Musik für den ghanaischen Markt. | |
1978 spielte auch der nigerianische Afrobeat-Superstar Fela Kuti einen | |
denkwürdigen Auftritt in der Berliner Philharmonie, bei den Berliner | |
Jazztagen, die heute Jazzfest Berlin heißen. Mehrere Mitglieder von Kutis | |
Band Africa 70 hatten zu diesem Zeitpunkt längst genug von Kutis | |
exzentrischem Benehmen als Bandleader. Sie blieben nach dem Konzert | |
kurzerhand in Berlin, während Kuti zurück nach Nigeria reiste und eine | |
Nachfolgeband gründete, die Egypt 70. | |
Unter den prominenten Aussteigern befanden sich Schlagzeuger Tony Allen, | |
Gitarrist Oghene Kologbo und Percussionist Nicholas Addo Netty. Kologbo und | |
Netty spielten viele Jahre später mit dem in Berlin gestrandeten Amerikaner | |
Abarbanel-Wolff in der Band Rhythm Taxi. Aus dieser kurzlebigen Formation | |
erwuchs die Afrobeat Academy, die Ebo Taylor auf einigen Tourneen | |
begleitete. Nun spielen einige ehemalige Mitglieder beider Bands bei der | |
Kwashibu Area Band, so dass man mit Fug und Recht behaupten kann, sie stehe | |
in indirekter Nachfolge der Africa 70. | |
Pat Thomas spielte die achtziger und neunziger Jahre hindurch immer weiter | |
Konzerte und Festivals, bis er schließlich nach Ghana zurückkehrte. Man | |
hörte nicht mehr viel von ihm, bis im letzten Jahr das Album mit der | |
Kwashibu Area Band erschien. Thomas konnte wieder auf Tour gehen – im | |
letzten Jahr zunächst durch kleinere Clubs, in diesem Jahr nun auch auf | |
große Festivals in ganz Europa. | |
Im Bi Nuu überträgt sich die Spielfreude der jüngeren Mitglieder auf die | |
ganze Band und aufs Publikum. Für die Zugabe, seinen 1977er | |
Highlife-Disco-Hit „I Need More“, kommt Thomas am Ende noch einmal auf die | |
Bühne und wird zum Abschied sogar von den tendenziell schwer | |
begeisterungsfähigen Berlinern gebührend bejubelt. Die Kwashibu Area Band | |
reist in den nächsten Monaten quer durch Europa und sogar bis nach Réunion | |
und Israel. Für sie wird es ein langer, heißer Sommer. | |
Am Samstag sind auf dem Festival unter anderem die einflussreiche britische | |
Funkband Cymande und der mankunische DJ und Trompeter Matthew Halsall mit | |
seinem Gondwana Orchestra zu hören. www.xjazz.net | |
7 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Stephan Szillus | |
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