# taz.de -- Wissen Die Historikerin Reinhild Kreis erforscht, wie Gefühle Poli… | |
von Anselm Schindler | |
taz.am wochenende: Frau Kreis, Vertrauen erscheint, verglichen mit Zwang, | |
als schwaches Mittel, um Interessen durchzusetzen. Warum wird in der | |
internationalen Politik trotzdem oft darauf gesetzt? | |
Reinhild Kreis: Vertrauen verschafft einen Imagegewinn, und dieses Image | |
will man nicht aufs Spiel setzen. Die beiden Blöcke im Kalten Krieg haben | |
zum Beispiel immer betont: Wir halten nicht zusammen, weil der jeweilige | |
Hegemon uns dazu zwingt, sondern weil wir gemeinsame Werte und Ziele haben | |
und einander vertrauen – auch wenn die Realität in den Bündnissen teilweise | |
anders aussah. Außerdem macht Vertrauen vieles einfacher: Wenn ich | |
vertraue, gehe ich davon aus, dass der andere mir nicht schaden will. Dann | |
muss ich ihn weniger kontrollieren. Die Zusammenarbeit wird effektiver. | |
Wie schafft man in der Politik eine Vertrauensbasis? | |
Indem man in Vorleistung geht zum Beispiel. Michail Gorbatschow hat während | |
des Kalten Kriegs erlaubt, dass bei Militärübungen Beobachter der Nato | |
dabei sein dürfen. In den Politikwissenschaften nennt man so was „Costly | |
Concession“, ein teures Zugeständnis. Das signalisiert Bereitschaft. | |
Außerdem sind gemeinsame Erfahrungen wichtig. | |
Und wenn man die nicht hat? | |
Es gibt Studien, die nachweisen, dass man jemandem mit demselben Dialekt | |
oder ähnlichen Hobbys leichter vertraut. Wenn man sich nicht kennt, muss | |
das Vertrauen also erst aufgebaut werden. Es gibt auch kulturelle | |
Unterschiede: Eine Geste wirkt in einem Land vertrauenserweckend, in einem | |
anderen kann sie falsch verstanden werden. Beim Aufbau von Vertrauen geht | |
es auch viel um Kommunikation. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die USA | |
das Vertrauen der Deutschen gewinnen, um im Westen einfacher als | |
Führungsmacht agieren zu können. Das lief unter anderem über | |
Kulturinstitute und Öffentlichkeitsarbeit. In der Bundesrepublik ist | |
Vertrauen, historisch gesehen, besonders wichtig. Nach dem Zweiten | |
Weltkrieg hat man den Deutschen natürlich erst mal nicht über den Weg | |
getraut. Das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen war besonders | |
wichtig. Um den außenpolitischen Handlungsspielraum zu erweitern, warben | |
die westdeutschen Politiker immer wieder um Vertrauen im Ausland, betonten | |
gemeinsame Interessen und gingen häufig in Vorleistung, um | |
Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. | |
Spielt gegenseitiges Vertrauen in der Politik heute eine größere Rolle als | |
früher? | |
Der Vertrauensbegriff ist omnipräsent, vom Bankgeschäft bis hin zu | |
internationalen Beziehungen. Die Historikerin Ute Frevert spricht in diesem | |
Zusammenhang von einem „Wohlfühlwort“. Ob der häufige Gebrauch des Wortes | |
mit steigendem Vertrauen zu tun hat, ist aber eine andere Sache. | |
International hat sich in den letzten Jahrzehnten viel verändert. Es gibt | |
mehr institutionalisierten Treffen, zum Beispiel im Rahmen der G 7, die in | |
den 1970er Jahren gegründet wurden. Es ist eine interessante Frage, ob | |
solche informellen Treffen dazu beitragen, Vertrauen zu steigern, und dabei | |
helfen, nicht vorhandenes Vertrauen zu überbrücken. Denn solche Treffen | |
sind gesetzte Termine, da muss man hingehen und lernt sich zwangsläufig | |
kennen. | |
Und wenn der vermeintliche Partner das Vertrauen missbraucht? | |
Dann hat er seine Glaubwürdigkeit verspielt, auch anderen Partnern | |
gegenüber. | |
16 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Anselm Schindler | |
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