# taz.de -- Der Rubel rollt | |
> AbstellenKürzere Parkplatzsuche, bessere Luft, höhere Einkünfte: | |
> Stadträte und Verkehrsplaner bewerten die Berliner Parkzonen als Erfolg. | |
> Weitere sollen folgen | |
Bild: Parkplatzharmonie: Füchse und Katzen kommen sich beim Parken nicht in di… | |
Von Juliane Wiedemeier | |
Wrangelkiez. Graefekiez. Kottbusser Tor. Bergmannstraße. Peter Beckers ist | |
kaum aufzuhalten, während er laut überlegt, wo er sich in | |
Friedrichshain-Kreuzberg noch überall Parkzonen vorstellen kann. Zwei Jahre | |
ist es her, dass der Wirtschafts- und Ordnungsstadtrat von der SPD die | |
ersten Zonen südlich der Karl-Marx- und der Frankfurter Allee in | |
Friedrichshain eingeführt hat. Nun ist er mit diesen so zufrieden, dass er | |
das Konzept der Parkraumbewirtschaftung weiter ausdehnen möchte. Konkrete | |
Pläne gibt es schon für die Bergmannstraße in Kreuzberg und die | |
Oberbaumcity in Friedrichshain. 2017 könnten dort die ersten | |
Parkscheinautomaten aufgestellt werden. „Wir sind sehr davon überzeugt, | |
dass das der richtige Weg ist“, sagt Peter Beckers. | |
## Hoher Parkdruck | |
Parkraumbewirtschaftung gibt es in Berlin schon seit über 20 Jahren. Sie | |
wird überall dort eingeführt, wo die Zahl der Autos die der Parkplätze bei | |
weitem übersteigt. „Hoher Parkdruck“ nennen das die Experten. Bereits | |
diagnostiziert ist dieser in Teilen der Innenstadtbezirke sowie in Steglitz | |
und in Spandau. Da gutes Zureden Autofahrer selten dazu bewegt, ihren Wagen | |
zu Hause zu lassen, wird dort mithilfe von Gebühren und Bußgeldern | |
versucht, die Zahl der Autos zu reduzieren. | |
Besonders abgesehen hat man es dabei auf Besucher und Pendler. Diese | |
müssen, je nach Tageszeit und Lage, bis zu drei Euro pro Stunde Parkdauer | |
bezahlen. Anwohner bekommen hingegen schon für gut 20 Euro eine Vignette, | |
die zwei Jahre gültig ist. Wer beide Möglichkeiten ignoriert, muss | |
mindestens 10 Euro für ein Knöllchen zahlen. | |
„Die Parkzonen erzeugen einen Druck bei den Autofahrern, sich über | |
alternative Fortbewegungsmöglichkeiten Gedanken zu machen“, sagt Thomas | |
Richter, Verkehrsplaner von der Technischen Universität Berlin. Wenn das | |
Parken vor dem Büro jeden Tag mehr als 10 Euro kostet, steigt man eher auf | |
Bus, Bahn oder Fahrrad um, so die Überlegung. Die Anwohner haben derweil | |
größere Chancen, einen Parkplatz vor der Haustür zu finden, ohne | |
stundenlang um den Block kurven zu müssen. Die Erfahrung zeige, dass dieses | |
System gut funktioniere, erklärt Richter. | |
Diesen Eindruck bestätigt auch Torsten Kühne (CDU). Er ist Ordnungsstadtrat | |
in Pankow, wo vor sechs Jahren die ersten Parkzonen südlich des | |
S-Bahn-Rings eingeführt wurden. 2013 folgte eine Erweiterung Richtung | |
Bornholmer Straße im Norden und Kniprodestraße im Osten, sodass aktuell | |
etwa 25.000 Stellplätze bewirtschaftet werden. Ein Viertel aller Berliner | |
Parkzonenparkplätze liegt damit im Bezirk. | |
„Dank der Parkraumbewirtschaftung ist der Parkdruck um bis zu 20 Prozent | |
zurückgegangen“, erklärt Kühne. Rund um den Helmholtz- und Kollwitzplatz | |
bekommen Anwohner also leichter einen Parkplatz. Das bedeutet jedoch nicht, | |
dass alle Besucher ihr Auto zu Hause lassen. Manche fahren einfach ein paar | |
Straßen weiter, wo nicht abkassiert wird. Daher hat Pankow eine Studie | |
erstellen lassen, die herausfinden sollte, wie sich die Situation in der an | |
Parkzonen angrenzenden Carl-Legien-Siedlung nördlich der Grellstraße | |
entwickelt hat. Als Ergebnis sollen dort ab März kommenden Jahres ebenfalls | |
Parkuhren aufgestellt werden. Weitere Zonen sind denkbar. | |
## Kein schöner Anblick | |
Aus Sicht des Verkehrsplaners ist das eine vernünftige Entwicklung. | |
Schließlich werde mit einer Verringerung des Autoverkehrs die Umwelt | |
entlastet, und zudem sei das viele Blech vor der Haustür kein besonders | |
schöner Anblick. „Es gibt in Deutschland kein Recht auf einen kostenlosen | |
Stellplatz vor der Haustür“, meint Thomas Richter. | |
Manche Autobesitzer sehen das anders. Für sie sind Parkzonen vor allem | |
eines: Abzocke. Dies war einer der Hauptgründe, warum die Köpenicker vor | |
zwei Jahren in einem Bürgerentscheid dagegen stimmten, das Parken in ihrer | |
Altstadt kostenpflichtig zu machen. | |
Tatsächlich spülen die Parkzonen ordentlich Geld in die klammen Kassen. In | |
Friedrichshain-Kreuzberg sind im vergangenen Jahr 2,7 Millionen Euro an | |
Gewinn zusammengekommen. Die Kosten für die Einführung der Zonen von einer | |
Million Euro waren so schon nach einem Jahr wieder drin. In Pankow wurden | |
sogar 5,45 Millionen Euro Gewinn gemacht. Das Geld kann der Schuldenbezirk | |
gut gebrauchen. Doch Stadtrat Kühne sagt: „Im Bezirk haben wir davon gar | |
nicht so viel.“ | |
Verantwortlich dafür ist der Senat, der das Geld ebenfalls gut gebrauchen | |
kann und daher mitverdienen möchte. Aktuell ist das klar geregelt: Während | |
die Einnahmen aus den Parkscheinautomaten an die Bezirke gehen, beansprucht | |
die Landesebene die Bußgelder sowie das Geld für die Vignetten für sich. | |
Problematisch wird das, wenn die jährlichen Ausgaben der Bezirke für das | |
Betreiben der Zonen ihren Anteil am Gewinn überschreiten. | |
In Friedrichshain-Kreuzberg wäre das 2015 der Fall gewesen. Während das | |
Land 3 Millionen Euro an den Bußgeldern verdient hätte, wäre der Bezirk auf | |
300.000 Euro sitzengeblieben. Aufgrund einer Sonderregelung für neue | |
Parkzonen darf der Bezirk allerdings noch bis Ende 2017 sämtliche Einkünfte | |
behalten. „Wenn das Land Berlin danach auf die Bußgelder besteht, werden | |
wir ein Problem bekommen“, sagt Stadtrat Beckers. | |
In Pankow ist es bereits heute jedes Jahr eine Zitterpartie, ob die | |
Parkzonen ein Loch in den Haushalt reißen oder nicht. Wenig hilfreich ist | |
dabei, dass das Verhältnis der Einnahmen aus Automaten und Bußgelder | |
bislang stark schwankt und damit schlecht vorherzusagen waren. „Für das | |
Land wird sich die Parkraumbewirtschaftung immer rechnen“, meint Torsten | |
Kühne. Es muss nur sichergehen, dass den Bezirken genug Anreize bleiben, | |
die Zonen zu betreiben. | |
Dabei ist das Haushaltsrisiko nicht die einzige Herausforderung, die die | |
Parkzonen für diese mit sich bringen. In Pankow entwickelten sich auch die | |
150 Mitarbeiter, die extra für die Kontrolle der Parkregeln eingestellt | |
wurden, zum Problem. | |
Ursprünglich wurde die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, für die nur | |
ein Hauptschulabschluss vonnöten ist, als eine Errungenschaft gelobt. Doch | |
mit der Zeit stellte sich heraus, dass ein Verdienst von etwa 1.500 Euro | |
netto und die Verpflichtung, dafür bei Wind, Wetter und im Schichtdienst | |
draußen unterwegs zu sein, doch nicht glücklich machen. 60 Arbeitstage | |
meldeten sich die Parkraumüberwacher 2014 durchschnittlich krank im Jahr. | |
Der Schnitt für Berliner Beamte lag im gleichen Zeitraum bei 37 Tagen (der | |
Bundesschnitt lag bei knapp 10 Tagen). Zudem wurde über Mobbing und | |
schlechte Stimmung im Team geklagt. | |
Hinzu kamen verbale und körperliche Attacken von Parksündern. „Es ist | |
überraschend, wie auch bildungsaffine Schichten aus der Haut fahren können, | |
wenn sie ein Knöllchen bekommen“, meint Stadtrat Kühne. Der traurige | |
Höhepunkt war erreicht, als ein Parkraumüberwacher aus Wut zweimal | |
angefahren wurde. „Wir stellen bei jedem Vorfall Anzeige. Es kann nicht | |
sein, dass unsere Mitarbeiter angegriffen werden, wenn sie im Dienste der | |
Allgemeinheit demokratische Regeln umsetzen“, sagt Kühne. | |
Doch auch bei den Parkraumüberwachern gab es Handlungsbedarf. Die | |
Mitarbeiter wurden in Deeskalation und Kommunikation geschult, ihr | |
Aufenthaltsraum im Bezirksamt wurde verschönert, und sogar die Qualität der | |
Arbeitsschuhe wurde hinterfragt. Sie haben jetzt bessere Sohlen. In | |
Kombination mit der Entfristung der Arbeitsverträge habe das die Stimmung | |
verbessert, erklärt der Stadtrat. Krankenstand und Fluktuation seien aber | |
weiterhin hoch. | |
Von Beschimpfungen berichtet auch sein Kollege aus | |
Friedrichshain-Kreuzberg. Über seine 41 Parkraumüberwacher mag Beckers | |
jedoch nicht klagen. Mitarbeiter im Außendienst seien immer häufiger krank. | |
An Motivation und Engagement mangele es nicht. | |
Stattdessen wirkt bei ihm noch die Freude darüber, dass in seinem Bezirk | |
neue Stellen geschaffen und nicht immer nur abgebaut wurden. Eigentlich | |
bräuchte er im Ordnungsamt viermal so viele Außendienstmitarbeiter, meint | |
Beckers. Doch auch wenn die Befugnisse der Knöllchenschreiber auf den | |
ruhenden Verkehr beschränkt sind, zumindest bei zugeparkten | |
Feuerwehrzufahrten oder Fahrradwegen könnten sie in den Parkzonen | |
durchgreifen. | |
„Zusätzliches Personal kann helfen, den Bewohnern das Gefühl von Struktur | |
zu vermitteln“, sagt Beckers. In seinem Bezirk sieht er da durchaus noch | |
Bedarf: „Ich gehe davon aus, dass in Friedrichshain-Kreuzberg auf lange | |
Sicht kaum etwas ohne Parkzone bleiben wird.“ | |
16 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Juliane Wiedemeier | |
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