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# taz.de -- In einer kleinen Stadt
> Theater Der Verdacht bleibt: Das English Theatre erzählt mit dem Drama
> „The most unsatisfied Town“ von Amy Evans eine Geschichte, die an den Tod
> von Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau erinnert
Bild: Quatis Tarkington und Maya Alban-Zapata, hier als Police Officer 1 und 2,…
von Hilke Rusch
Wenn Laurence beim Damespiel gegen Yusef verliert, dann staunt er
freundlich und weiß nicht, wie es dazu kam. Yusef, der vor seiner Flucht
und dem Asylantrag in Deutschland Philosophie unterrichtete, kann da nur
den Kopf schütteln: „Mit dir zu spielen ist, wie eine Maus in einen
Schlangenkäfig zu setzen. Du spielst ohne Angriffsstrategie, ohne
Verteidigung.“
Laurence ist die Hauptfigur in Amy Evans’Theaterstück „The most unsatisfied
town“, das jetzt erstmals im English Theatre auf die Bühne kommt. Laurence
(Kenneth Philip George) hat nach langen Jahren des Wartens auf die
Asylanerkennung in einer kleinen Stadt irgendwo im deutschen Osten ein
Internetcafé eröffnet. So freundlich und zurückhaltend, wie er Dame spielt,
geht er auch durchs Leben und hält sich an die Regeln: Arbeite hart und
beschwere dich nicht. Solange er das tut, lässt sich auch der alltägliche
Rassismus ertragen. Dass seine Frau Manuela (Dorothee Krüger) ihren Kindern
beibringt, auf den Rassismus weißer Kinder mit Beleidigungen zu antworten,
missfällt ihm.
## Korpsgeist der Polizei
Dann verbrennt ein Freund in einer Polizeizelle. Rahim, den Quatis
Tarkington als optimistischen Sonnyboy spielt, soll sich selbst angezündet
haben. Die Freund*innen um Laurence sind schockiert, und Julius (Asad
Schwarz-Msesilamba) glaubt nicht an diese Todesursache. Zur Beerdigung
organisiert er einen großen Trauerzug und möchte Laurence überzeugen, dass
Rahims Leiche ein zweites Mal obduziert werden muss. Laurence wehrt ab.
Mit ihrem Stück „The most unsatisfied Town“ greift Amy Evans die Geschichte
von Oury Jalloh auf, der sich 2005 in einer Dessauer Polizeizelle
angezündet haben soll – trotz vorheriger Leibesvisitation, bei der kein
Feuerzeug gefunden wurde, und an beiden Händen gefesselt. Mouctar Bah, ein
Freund Jallohs, wurde danach unfreiwillig zum hartnäckigen politischen
Aktivisten. Ihm und der Initiative Oury Jalloh ist es zu verdanken, dass
der Fall immer wieder öffentlich diskutiert wird. Die Details sind teils so
widersprüchlich, dass die Initiative von Mord an Jalloh ausgeht. Sie ließ
ein weiteres Brandgutachten erstellen, seit 2014 ermittelt die
Staatsanwaltschaft erneut und schließt diesmal eine Beteiligung Dritter
nicht aus.
In „The most unsatisfied Town“ ist Jallohs Fall nur Ausgangspunkt, er steht
exemplarisch für den Korpsgeist bei der Polizei und für eine weitgehend
desinteressierte Öffentlichkeit, die sich nicht mit dem eigenen Rassismus
beschäftigen möchte.
Daniel Brunet hat das englischsprachige Stück in weiten Teilen als
Kammerspiel inszeniert. Im Mittelpunkt stehen Dialoge, nur wenige Szenen
verlassen das realistische Setting. Im Bühnenbild skizzieren Bierbänke und
-tische erst die Asylunterkunft, dann das Internetcafé und zwischendrin ein
Denkmal für einen ermordeten Migranten. Auch das ist eine Referenz an die
Realität: Der afrodeutsche Alberto Adriano wurde in Dessau von Nazis
getötet, an ihn erinnert ein Gedenkstein. Auf der Bühne illustriert ein
grüner Wellblechcontainer die Trostlosigkeit der Unterkunft, um die eigene
Achse gedreht wird daraus das Internetcafé, auf dessen Tapete üppig gemalte
Grünpflanzen wachsen.
Laurence führt anfangs als Erzähler durch den Alltag in der Asylunterkunft.
Je mehr seine Gewissheiten erschüttert werden, desto mehr übernehmen auch
andere Figuren diese Rolle.
Die Herausforderung, trotz der Nähe zur Realität kein pädagogisches
Zeigefingertheater zu machen, meistern Stück wie Inszenierung weitgehend.
Besonders zu Beginn: Da erzählen sich die Langeweile in der
Sammelunterkunft und die schon zäh gewordene Hoffnung auf ein normales
Leben in Deutschland über präzise gearbeitete Figuren. Der Ton bleibt
leicht.
Dem zweiten Teil gelingt das nicht ganz so überzeugend, er will zu sehr
informieren und schafft es nicht, dafür eine eigene erzählerische Sprache
zu entwickeln. Vielleicht ist Aufklärung auch einfach zuvorderst die
Aufgabe von Initiativen wie der Mouctar Bahs. Das Verdienst von „The most
unsatisfied Town“ besteht darin, zu erinnern, dass hinter dem politischen
Symbol Oury Jalloh ein Mensch mit Vergangenheit, mit Träumen, Hoffnungen
und Wünschen steht.
Wieder 13.–16., 19.–22. April, 20 Uhr, English Theatre Berlin,
Fidicinstraße 40
13 Apr 2016
## AUTOREN
Hilke Rusch
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