# taz.de -- Wenn die Party zur Plage wird | |
> STADTLEBEN Anwohner, Politiker und Experten diskutieren über einen für | |
> alle verträglichen Tourismus | |
In Berlin regt sich eine neue bedrohte Art: der Anwohner. Anders als | |
Fledermäuse oder Eidechsen gefährden ihn keine Bagger oder Umweltgifte. | |
Seinen natürlichen Lebensraum zerstören Touristen. „Jede Kröte, die eine | |
Autobahn überquert, wird geschützt“, beschwerte sich Ursula Mahnke aus dem | |
Wrangelkiez beim Erfahrungsaustausch über stadtverträglichen Tourismus, der | |
am Donnerstagabend im Roten Rathaus stattfand. „Ich möchte jetzt auch so | |
einen Zaun.“ | |
Seit mehreren Jahren schon bemüht sich der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, | |
in Partyhochburgen wie an der Admiralbrücke oder im Wrangelkiez ein | |
friedliches Miteinander zwischen Nachbarn und feierfreudigen Besuchern zu | |
ermöglichen. Im vergangenen Sommer wurden nachts Pantomimen auf die Straße | |
geschickt, um mit Gesten für mehr Ruhe zu werben. Doch den Anwohnern gehen | |
Maßnahmen wie diese nicht weit genug. Sie nutzten die Veranstaltung, um ein | |
paar eigene Vorschläge einzubringen. | |
## Ärger über Werbeslogan | |
Ursula Mahnke wünschte sich etwa, dass besonders tourismusbelastete Gebiete | |
ausgewiesen und für diese eine Verordnung zum Anwohnerschutz erlassen wird. | |
Diese könnte beispielsweise die Mieten für Kleingewerbe deckeln und die | |
Ansiedlung weiterer Gastronomie verbieten. „Wo bekomme ich noch ein Stück | |
Seife, wenn alles voller Restaurants ist?“, erklärte sie ihr Problem. | |
Ein großer Schritt wäre es schon, wenn geltendes Recht auch angewandt | |
würde, meinte Gerald Schmitt aus der Adalbertstraße. „Wenn ich nachts die | |
Polizei rufe, weil es zu laut ist, kommt sie gar nicht erst“, erzählte er. | |
Angesichts der angespannten Personalsituation sei das sogar verständlich. | |
Hinnehmen wolle er das aber nicht. | |
Andere forderten, einen Anwohnerrat als Interessenvertretung und Pendant | |
zur Clubcommission oder dem Hotel- und Gaststättenverband zu etablieren. | |
Gegen sommerlichen Lärm könnte helfen, Spätis den Verkauf von Alkohol nach | |
22 Uhr zu verbieten. Und Berlin solle nicht länger für sich als | |
Partymetropole werben. Wer etwa in der Gegend rund um das Schlesische Tor | |
lebe und nachts oft schlecht schlafe, empfinde den aktuelle Slogan „365/24 | |
Berlin“ als Schlag ins Gesicht. | |
In diesem Punkt bekamen die Anwohner jedoch Gegenwind. Schließlich sei der | |
Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der 240.000 Arbeitsplätze in der | |
Stadt sichere, wie ein Tourismusmanager aus dem Publikum erklärte. | |
Man könne auch nicht allein die Besucher für die Konflikte verantwortlich | |
machen, sagte Henning Füller, der zu dem Thema an der Humboldt-Universität | |
forscht. Jüngere kämen wegen der Vitalität der Stadt nach Berlin. Ältere, | |
die früher eher an den Stadtrand gezogen seien, blieben heute öfter in der | |
Innenstadt, wollten es dort aber dennoch beschaulich. „Das führt | |
zwangsläufig zu Spannungen“, sagte Füller. Diese aufzulösen, nahmen die | |
Politiker am Ende des Abends als Hausaufgabe mit. Juliane Wiedemeier | |
27 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Juliane Wiedemeier | |
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