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# taz.de -- Flüchtlinge machen mobil
> Projekt Eine am Samstag eröffnete Fahrradwerkstatt im Flüchtlingsheim am
> Hohentwielsteig in Zehlendorf sorgt für mehr Abwechslung im Alltag der
> Bewohner
Bild: Ahmadshah Morodi und sein Sohn Abulfasil reparieren ein Fahrrad im neu er…
von Patrick Große
„Halt, stopp! Da fehlt noch etwas“, merkt Otto Minte an und schaut
erwartungsvoll in die Augen von Ahmadshah und Abdulfasil Morodi. „Bell“,
antwortet Ahmadshah, das englische Wort für Klingel. Otto Minte nickt
zustimmend und nimmt eine Fahrradklingel in die Hand. Der Hausmeister und
die zwei afghanischen Männer montieren sie an ein Kinderfahrrad. Es sind
die ersten Handgriffe in der neuen Fahrradwerkstatt des Flüchtlingsheims am
Hohentwielsteig in Zehlendorf. Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) betreibt
das Heim mit 340 geflüchteten Menschen und eröffnete die Werkstatt am
Samstag offiziell für den regelmäßigen Gebrauch.
Die Unterkunft, aus vielen bunten Containern zusammengesetzt, ist um einen
reicher. Er steht vor der Flüchtlingsunterkunft unmittelbar am Eingang. In
ihm ist alles zu finden, was das Handwerkerherz begehrt. Links an der
hölzernen Wand hängen unzählige Werkzeuge, darunter stehen drei Tische.
Darauf haben der Hausmeister der Einrichtung und die zwei Helfer das
Kinderrad positioniert. Rechts von ihnen steht ein Regal mit Öl und
sonstigen Utensilien. Ein großes Fenster gegenüber der Tür sorgt für
genügend Licht beim Arbeiten. Auf dem Boden liegen fünf Fahrräder, die noch
darauf warten, aufgearbeitet zu werden.
Die Versicherungsmakler-Gruppe Funk spendete den Container im letzten Jahr.
„Wir haben uns gefragt, was wir Gutes tun können“, erzählt Geschäftsfüh…
Clausius Jochheim. „Wir wollten einen Beitrag leisten, um Integration zu
erleichtern.“ In Zusammenarbeit mit einer Spedition kam der Container im
November nach Zehlendorf.
Der Verein Mittelhof spendete dem Heim etwa 100 Fahrräder, die zuvor noch
instandgesetzt wurden. „Von den Fahrrädern sind aber schon ein paar
kaputt“, erzählt Heimleiter Uwe Radzkowski den Gästen. In Zukunft könnten
die Bewohner die Mängel an den Drahteseln selbst beheben. Die Werkstatt
wird jeden Samstag geöffnet sein. Noch sei aber unklar, welche Bewohner
dort arbeiten werden. „Es gibt zehn bis 20 Personen, die infrage kommen“,
sagt der Leiter. Diese Geflüchteten seien auch früher schon handwerklich
aktiv gewesen.
Das trifft auch auf den 35-jährigen Ahmadshah Morodi zu. Er arbeitete in
Afghanistan als Automechaniker. Vor einem Jahr flüchtete er mit Frau und
vier Kindern über die Türkei, Griechenland und Italien nach Berlin. Auch
sein dreizehnjähriger Sohn Abulfasil bastelt gern an Rädern. Sie können
sich vorstellen, in Zukunft öfter in der Werkstatt mitzuhelfen. Sie werden
dann mit Ehrenamtlichen arbeiten, die sie bei ihrer Arbeit anleiten. Einer
ist Julian Kleber, Sohn der ASB-Landesgeschäftsführerin Jutta Kleber. „Ich
schraube gerne an Fahrrädern“, sagt der Jugendliche. In seiner Schule war
er bereits ehrenamtlich aktiv, aber noch nie in einem Flüchtlingsheim.
Kleber wird ab sofort samstags mithelfen. „Ich freue mich sehr auf den
Kontakt mit den Flüchtlingen“, da er nicht viel von ihnen mitkriege,
erklärt der Ehrenamtliche. Es werden noch Personen gesucht, aber Ziel sei
ein Team von vier Ehrenamtlern.
„Es ist ein Projekt, das dem ASB am Herzen liegt“, sagt Geschäftsführerin
Kleber in ihrer Rede. Fahrräder hätten Tradition in den Einrichtungen. In
Moabit läuft bereits ein erfolgreiches Fahrrad-Projekt. Ehrenamtliche
machen am Wochenende Ausflüge mit den Bewohnern des Heims. „Die
Fahrradwerkstatt war jetzt das i-Tüpfelchen.“ Ziel sei es, die Bewohner
mobil zu machen. Auch Verkehrserziehung spiele laut Radzkowski eine Rolle.
Die meisten Flüchtlinge seien an ein Verkehrsaufkommen wie in Berlin nicht
gewöhnt. Und in ihrer Heimat sei es nicht üblich, dass Frauen Fahrrad
fahren.
Zunächst werden die Bewohner allerdings nur ihre eigenen Räder reparieren.
Es sei problematisch, wenn die ganze Nachbarschaft Fahrräder vorbeibringen
könnte. „Die Werkstätten in der Umgebung werden nicht zufrieden sein“,
meint Radzkowski.
Derweil stecken die Arbeiten im Container in den letzten Zügen. „Ah, es
läuft wieder“, ruft Hausmeister Minte aus. Die Männer stellen das Kinderrad
auf den Boden. Nachdem auch die Klingel montiert ist, schnappt sich
Abdulfasil das Gefährt und dreht eine Runde über den Hof des
Flüchtlingsheims. In Zukunft wird er sicher öfter in der Werkstatt
anzutreffen sein.
7 Mar 2016
## AUTOREN
Patrick Große
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