# taz.de -- Auf dem Boden der Überzeugung | |
> Biogarten Säen, pflücken, ernten – in den Hamburger Vierlanden können | |
> Hobbygärtner ihre eigene Gemüseparzelle mieten. Möglich machen das die | |
> passionierten Mitarbeiter der biologisch-dynamischen Gärtnerei Sannmann | |
Bild: Respekt vor dem Tier und Gemeinschaft – das sind zentrale Werte auf Tho… | |
von Anna Gröhn | |
„Schön, dass noch so viel Grün da ist“, sagt Thomas Sannmann und blickt a… | |
das matschige Ackerland. Es ist ein regnerischer Montagmorgen. In einem | |
abgewetzten, grünen Overall und mit schwarzen Gummistiefeln steht der | |
57-Jährige Gärtnermeister vor der Kräuterwerkstatt seiner Gärtnerei. Durch | |
die beschlagenen Fenster sind zwei junge Mitarbeiter zu beobachten, die | |
geduldig Rosmarin, Thymian und Bärlauch zu kleinen Sträußen bündeln. „Das | |
ist intensivste Handarbeit“, sagt Sannmann. | |
Seit über dreißig Jahren bewirtschaftet und pflegt Thomas Sannmann den | |
Boden im Hamburger Landschaftsschutzgebiet Vier- und Marschlande. „Wir | |
haben dynamisches Land und erzeugen Lebensmittel mit den Methoden des | |
biologisch-dynamischen Anbaus“, sagt der Gärtner in neunter Generation. Das | |
war nicht immer so: Sein Vater hat nicht daran geglaubt, dass man | |
Schädlinge ohne Chemie bekämpfen kann. Thomas Sannmann hingegen sah sich in | |
der Verantwortung „für die nachfolgenden Generationen zu sorgen“. Durch ein | |
Versuchsfeld hat er seinen Vater von den Vorzügen der bio-dynamischen | |
Landwirtschaft überzeugt – bis der Betrieb 1992 vollends nach | |
Demeter-Richtlinien umgestellt wurde. Dennoch sagt Sannmann: „Viele Tricks | |
habe ich von meinem Vater erfahren.“ | |
Durch große Pfützen und über morastigen Boden stapft Sannmann zum | |
Kräutergewächshaus. Ein würzig-frischer Duft liegt in der Luft. | |
„Gerstengras haben wir wieder für uns entdeckt“, sagt er und streicht | |
vorsichtig mit seinen Fingern durch die dünnen, grünen Halme. „Es enthält | |
viele Mineralien und Vitamine.“ Über den Pflanzen hängen Insektenlampen. | |
Sie sollen das Gewächs vor „unliebsamen Insekten“ schützen. „Wir suchen | |
immer nach Möglichkeiten, ohne Chemie eine Lösung zu finden.“ Das ist für | |
Sannmann auch der Sinn des Hofes: So mit der Natur zu arbeiten, dass | |
gesunde Lebensmittel erzeugt werden. „Ein Dach für Mensch und Erde zu | |
schaffen, ist das Motto, dem wir uns verschrieben haben.“ | |
Im Hintergrund raschelt es laut. Ein junger Mann packt eilig wurzelartige | |
Gebilde in einen großen Sack. „Das sind die Wurzelballen des Schnittlauchs, | |
in denen die Reservestoffe enthalten sind“, sagt Sannmann. „Aus diesen | |
treibt der Schnittlauch wieder aus. Faszinierend, oder?“ Er spricht leise, | |
aber bestimmt. Langsam schreitet er nach draußen. Der Himmel ist grau und | |
der Wind bläst einem um die Ohren. „Der Platz hat eine schöne | |
Ausstrahlung“, sagt er. Dann blickt er auf den See und lächelt. | |
Am Wasser entlang führt ein schmaler Weg zu einem Stall mit fünfzehn | |
Hereford-Rindern. Es riecht süßlich und nach frischem Heu. Es ist viel | |
Platz für die Tiere da. Die Hereford-Rinder haben einen weißen Kopf, | |
lockiges Fell – und Hörner. „In vielen Höfen werden die Hörner abgebrann… | |
sagt Sannmann. „Das ist sehr schmerzhaft für die Tiere.“ Für Sannmann ist | |
es deshalb wichtig, dass die Tiere ihre Hörner behalten dürfen. Auch die | |
Milch überlässt er den Rindern, für die Kälber. „Der Mensch braucht kaum | |
Milch“, findet Sannmann. „Es ist ein Nahrungsmittel, kein Getränk.“ | |
Schließlich könne man den Kalzium-Bedarf anders decken. „Mit Gerstengras | |
zum Beispiel“, sagt er und lacht. Dann nimmt er eine Hand voll Heu und | |
reicht es einer Kuh. „Die hier hat schon vier Geburten hinter sich, das | |
sieht man an der Anzahl der Kreideringe in den Hörnern.“ Die Rinder sind | |
für Sannmann „die Seele des Betriebes“. Denn aus dem Kuhmist wird der | |
Kompost hergestellt. | |
## Kosmische Landwirtschaft | |
Einige Meter hinter dem Stall türmen sich eingedellte Kürbisse, faule | |
Zucchini und andere Pflanzenabfälle. Damit daraus reifer Kompost wird, | |
müssen die Abfälle mit Erde und Kuhmist durchmischt werden. „Alles, was wir | |
in der Gärtnerei erzeugen, möchten wir wieder zusammenführen und | |
lebendigen“, sagt Sannmann. „So schaffen wir neues Leben.“ | |
Der Nieselregen hat aufgehört. Doch noch immer ist es kalt, nass und | |
windig. Das Salat-Gewächshaus bietet etwas Schutz. Am Eingang stehen | |
Mistgabeln, Schubkarren – und Propangasflaschen. Die brauchen die | |
Mitarbeiter im Winter für ihre Mitnehm-Heizkörper. Denn die Gewächshäuser | |
würden erst bei Minusgraden durch eine Erdgasheizung gewärmt. | |
Auf dem Boden reihen sich unterschiedlichste Salatsorten: Vom scharfen | |
Wasabi-Salat über bitteren Löwenzahn bis zum herkömmlichen Feldsalat. | |
Thomas Sannmann hat zu jeder Sorte viel zu erzählen. „Es gibt einen | |
Anbauplan, in dem jede Pflanze durchgeplant ist – vom Anbau bis zur Ernte“, | |
erzählt er. Dabei orientiert sich der Hof am Aussaatkalender von Maria | |
Thun, in dem die günstigsten kosmischen Konstellationen für jede | |
Pflanzenart aufgeführt sind. | |
Auf den Äckern lassen die braun gewordenen Pflanzen vage erahnen, wie das | |
Grün im Sommer sprießt. Über einigen Feldern liegen große Schutznetze aus | |
Polypropylen. „Sie schützen die Pflanzen vor tiefen Temperaturen und halten | |
Schädlinge ab, sagt Sannmann. Zwischen den Feldern sind die Blühstreifen zu | |
erkennen, auf denen im Sommer Sonnenblumen und Kräuter wachsen. Hier sollen | |
die Nützlinge ein Zuhause finden und die Schädlinge in Schach halten. In | |
Sannmanns Worten: „Wir müssen auf die Natur zurückgreifen, um ein | |
ökologisches Gleichgewicht herzustellen.“ | |
Ein solches Gleichgewicht will Sannmann auch für die Menschen herstellen. | |
So entstand die Idee für „Sannmanns Biogärten“ – kleine Parzellen zum | |
Mieten. Nur Platz hatte er dafür nicht. Deswegen hat er fünfzehn Hektar auf | |
dem Hof Eggers, 15 Autominuten entfernt, gepachtet. | |
## Gärtnern muss gelernt sein | |
In der Luft hängt der Geruch von feuchter Erde. Andrea Madadi und Andrea | |
Porps, verantwortlich für die Biogärten, gehen vorbei an Schweinen, Hühnern | |
und Katzen bis an ein Metalltor. Dahinter liegen die „Gemeinschaftsbeete“. | |
Während der Saison können sich die Hobbygärtner an frischen Himbeeren, | |
Wandermais und Kräutern bedienen, sagt Andrea Porps. Die 45-jährige | |
Agraringenieurin steht vor dem Holzschuppen, in dem die Gartengeräte stehen | |
und an dessen Wänden Anleitungen, Erklärungen und Tipps hängen. „Gärtnern | |
ist nicht einfach. Das ist Learning by Doing“, sagt sie. Erst mit der Zeit | |
erfahre man, wie ein Kartoffelkäfer aussehe oder wie man eine Kulturpflanze | |
von „Naturkraut“ unterscheide – Unkraut sei es ja nicht, vieles davon sog… | |
Heilkraut. „Das Gärtnern im kleinen Bereich können nur noch ganz wenige.“ | |
Die industrielle Erzeugung und konventionellen Agrarflächen hingegen würden | |
immer mehr. | |
Noch liegen die Felder brach. Ab Anfang Mai bepflanzen die Mitarbeiter, die | |
Gemüseparzellen. Standardmäßig säen sie 20 Gemüsesorten: Von Roter Bete | |
über Blattspinat bis zu Mangold. Eine „Wunschfläche“ bleibt zum selbst | |
bepflanzen frei. | |
Von den 150 Parzellen waren im vergangenen Jahr knapp 90 vermietet. „Wir | |
hatten dadurch leider ein riesiges Loch in der Kasse“, sagt Andrea Madadi. | |
Für die 58-Jährige ist das Ganze zwar ein „idealistisches Projekt“, | |
langfristig müsse sich dieses aber finanziell selbst tragen. Denn für die | |
Parzellen werden ausschließlich biologisch-dynamische Demeter-Präparate | |
verwendet – und die sind aufwendig zu produzieren. 250 Euro kosten 45 | |
Quadratmeter Gemüseparzelle pro Saison. | |
Ein schmaler Mittelweg führt an den Minigärten vorbei. „Ralphi“, „Eden�… | |
oder „Tina und Marks Garten“ steht auf den gelben Schildern geschrieben. | |
Viele Mieter kämen mehrmals in der Woche, um ihr Gemüse zu pflegen. Andere | |
hätten aufgeben müssen, weil ein Krankheitsfall oder der Job dazwischen | |
kam. Die Beete seien verdorrt, weil sich zeitlich niemand um die Pflanzen | |
kümmern konnte. | |
„Schau mal!“, ruft eine Stimme von hinten. Andrea Porps hält in der linken | |
Hand zwei Feuerbohnen, die sie im Feld gefunden hat. „Im eigenen Garten hat | |
man eine ganz andere Wertschätzung, weil man es selbst erzeugt oder | |
geerntet hat“, sagt sie. „Das ist echtes Glück.“ Sie hofft deshalb, dass | |
das Projekt weiterlaufen kann. | |
„Es geht ums Überleben“, sagt sie. Und darum, dass solche | |
Kulturlandschaften, die biologisch-dynamisch bewirtschaftet werden, | |
erhalten bleiben. „Wenn das stirbt, wird es von den Konventionellen | |
übernommen – dann ist es weg und kommt auch nicht wieder.“ Sie drückt mir | |
zwei frisch gepflückte Porreestangen und fünf kleine Rosenkohl in die Hand. | |
„Die sehen jetzt nicht so schön aus, dafür schmecken sie umso besser“, sa… | |
sie. | |
Allmählich klart der Himmel auf und ein paar Sonnenstrahlen schimmern auf | |
dem feuchten Boden. Auf dem Rückweg halten wir vor dem Schweinestall. | |
Andrea Porps hält den Schweinen eine Möhre hin, die sie eben aus dem Garten | |
geerntet hat. Sie versuchen, wie wild das Wurzelgemüse zu ergattern. „Die | |
Tiere und wir auf dem Hof ernähren uns ökologisch – oder gar nicht mehr“, | |
sagt sie entschieden. „Es gibt keine andere Möglichkeit. Jeder hat es in | |
der Hand.“ | |
Biogärten kann man bis allerspätestens 22. Mai buchen unter | |
www.sannmanns-biogaerten.de | |
27 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Anna Gröhn | |
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