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# taz.de -- Baden, wo andere Urlaub machen
> Stadtentwicklung Nach 30 Jahren Verfall und vier Jahren Sanierung
> eröffnet das Stadtbad Oderberger Straße in Prenzlauer Berg nun als Hotel,
> Restaurant und – in wenigen Monaten – auch als Schwimmbad für alle
Bild: Sie hat 18 Millionen Euro in das 1900 erbaute alte Stadtbad investiert: B…
von Juliane Wiedemeier
Mangelnden Wagemut kann man Barbara Jaeschke nicht vorwerfen. Gerade
rutscht sie auf roten Pumps über ein windschiefes und regennasses Brett in
eine Baugrube. Dies ist derzeit der einzige Weg in den alten Heizraum, in
dem im Mai ein Restaurant eröffnen soll. Ihre Pressesprecherin will ihr
noch stützend die Hand reichen. Doch Jaeschke ist nicht aufzuhalten.
Seit fünf Jahren lässt die Besitzerin der Sprachschule in der
Kastanienallee das um die Ecke gelegene einstige Stadtbad Oderberger Straße
für die Erweiterung ihres Betriebs sanieren. Wo früher Prenzlauer Berger
ohne Badezimmer in der eigenen Wohnung in kleinen Kabinen in Zinkwannen
planschten, wohnen nun schon seit Januar Hotelgäste. Im Mai soll das
Restaurant mit einem Schwerpunkt auf regionaler Küche eröffnen. Komplett
beendet ist die Instandsetzung, wenn wie geplant im Oktober auch das alte
Schwimmbecken wieder in Betrieb geht – für Hotelgäste und Anwohner. Die
Preise sollen sich an denen der Berliner Bäderbetriebe orientieren. Dort
kostet ein Schwimmbadbesuch je nach Tageszeit 3,50 bis 5,50 Euro.
„Wir sind hier kein Getto für Reiche. Wir wollen die Nachbarschaft
mitnehmen“, betont Jaeschke und widerspricht damit dem Klischee, in dieser
Ecke von Prenzlauer Berg würden nur noch Schwaben in Eigentumswohnungen
leben. Ohne diesen Ansatz hätte sie das denkmalgeschützte, aber stark
sanierungsbedürftige Gebäude auch gar nicht kaufen dürfen.
Denn Schwimmen kann man in der 1900 nach Plänen des Berliner Stadtbaurats
Ludwig Hoffmann errichteten Volksbadeanstalt schon seit Mitte der 1980er
Jahre nicht mehr. Ein zusätzlich angebauter Schornstein hatte damals zu
Rissen im Schwimmbecken geführt. Daraufhin musste der Badebetrieb
eingestellt werden.
Nach dem Mauerfall bemühte sich zunächst eine extra gegründete
Genossenschaft um die Sanierung. Doch als vom Senat ursprünglich zugesagte
Fördergelder ausblieben, musste sie ihre Pläne begraben. Nächster
Eigentümer wurde die Stiftung Denkmalschutz Berlin. Diese hat es sich zur
Aufgabe gemacht, denkmalgeschützte Gebäude wie das Brandenburger Tor
instand zu setzen und dies über große Werbebanner an den Baustellen zu
refinanzieren. Da nicht immer alle Einnahmen auch in die Sanierung
geflossen sein sollen, stand die Stiftung mehrfach in der Kritik.
Anders als vereinbart ist sie auch nie eine umfassende Sanierung des
Stadtbads angegangen. Stattdessen wurde das Gebäude als Veranstaltungsort
vermarktet. Darunter litt die Bausubstanz. „Für die Veranstaltungen wurde
das Haus immer wieder stark aufgeheizt. Danach kühlte es ebenso schnell
wieder ab. Diese Temperaturschwankungen haben den Verfall begünstigt“,
erklärt Jaeschke.
Die Stiftung widersprach damit zudem einer Auflage im Kaufvertrag, nach der
das Gebäude wieder als öffentliches Schwimmbad zugänglich gemacht werden
sollte. 2011 schaltete sich daraufhin der Bezirk Pankow ein. In einem
offenen Bieterverfahren machte er sich auf die Suche nach einem neuen
Eigentümer. Ein Investor wollte damals das Gebäude zu einem Wellnesstempel
umgestalten, ein anderer ein Luxushotel mit Spa-Bereich einrichten. Als
Schwimmbad für die Nachbarschaft wäre das Gebäude damit verloren gegangen.
Das wollten die Lokalpolitiker vermeiden.
Jaeschke hingegen versprach, das Becken wieder mit Wasser zu füllen und zu
moderaten Preisen für alle zu öffnen. In den zahlreichen Nebengebäuden
plante sie 70 Hotelzimmer – unter anderem für die Gäste ihrer anliegenden
Sprachschule, die seit 2005 in der einstigen Gustave-Eiffel-Oberschule an
der Kastanienallee untergebracht ist. 12 Millionen Euro sollten Sanierung
und Umbau kosten – die Mitbieter sprachen von mindestens doppelt so hohen
Investitionen. Das klang nach Luxussanierung. Daraufhin bekam die Leiterin
der Sprachschule den Zuschlag.
Heute sieht das Bad von außen wieder so aus wie zu Hoffmanns Zeiten:
sandfarben. Wer das Dunkelgrau gewöhnt ist, auf das sich das Gebäude in den
vergangenen Jahrzehnten eingependelt hatte, könnte fast glauben, hier sei
in den vergangenen Jahren ein Terrakotta-Neubau hochgezogen worden. Doch
die Steine sind die alten, nur geputzt, und neben dem Eingangstor stehen
auch noch die vertrauten Metallbuchstaben, von denen jedoch dank einiger
Souvenirjäger nur „Stadtb Prenzlau“ übrig geblieben sind. „ad“ und �…
Berg“ müssen noch nachgebaut werden.
Im Eingangsbereich wurde aus alten Kassenhäuschen und Schwimmbadkacheln
eine Lobby gebastelt. Eine steinerne Treppe mit Fischmuster-Geländer führt
in die oberen Etagen und zu den Hotelzimmern, in denen sich wie bei einer
Schnitzeljagd Hinweise zur Geschichte des Hauses versteckt haben. Dafür
wurden Kacheln, Garderobenhaken und Türen einstiger Badekabinen recycelt.
Vom zukünftigen Schwimmbetrieb trennt die schicke Lobby nur eine Tür.
Aktuell ist die Halle noch in der Hand von Bauarbeitern. Im Becken stehen
Farbeimer; eine junge Frau hockt vor einer Säule und beseitigt die Spuren
von Kacheln, die wohl zu DDR-Zeiten dort angeklebt wurden und gegen den
Denkmalschutz verstoßen. Die Wände und Gewölbedecken sind bereits gelb
gestrichen, und auch die steinernen Reliefs wurden schon mit der Zahnbürste
gereinigt: Man kann wieder gut erkennen, wie sich an einer Wandverzierung
zwei Frösche gegenseitig mit Paddeln erschlagen und eine Gruppe Monster mit
gespitzten Lippen einen Sturm über dem Schwimmbecken heraufzubeschwören
versucht.
Nach der Eröffnung im kommenden Herbst wird man in dem 20-Meter-Becken
nicht nur schwimmen können. Die Halle steht auch wieder als
Veranstaltungsort zur Verfügung: Der Beckenboden lässt sich dafür nach oben
fahren, während das Wasser durch Klappen abgeleitet und unter dem Boden
gespeichert wird. Bis zu 500 Leute werden hier diskutieren und feiern
können. Die taz konnte das bereits im vergangenen September bei ihrer
jährlichen Genossenschaftsversammlung erfolgreich testen.
Jaeschke musste indes mehr investieren als geplant: Statt 12 hat die
Sanierung letztendlich 18 Millionen Euro gekostet und ein Jahr länger
gedauert als geplant. „Die Einhaltung des Denkmalschutzes war aufwendiger
als erwartet“, berichtet sie. Eine Million Euro hat das Land Berlin
zugeschossen.
Die Investitionen sieht man dem Haus an. Vielleicht deswegen haben vor
einigen Wochen bisher Unbekannte „Yuppi$ rau$“ an die frisch sanierte
Eingangtür geschmiert. Jaesche habe das „sehr geschmerzt“. „Das war eine
Unverschämtheit und trifft die Falschen“, findet auch Jens-Holger Kirchner.
Der grüne Pankower Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung kennt das Bad noch
aus DDR-Zeiten und hat die Sanierungsversuche in den vergangenen 30 Jahren
verfolgt. „Es ist ein Glücksfall für Bezirk, das Stadtbad und den Kiez,
dass die Familie Jaeschke das Gebäude übernommen hat“, meint er. Hier sei
ein vom Verfall bedrohtes Kleinod zum Leben erweckt worden. Dass das Hotel
vier Sterne hat und die Zimmer bis zu 180 Euro kosten, trübt seine
Begeisterung nicht. „An fünf Tagen in der Woche wird das Bad für die
Öffentlichkeit zugänglich sein, zu günstigen Preisen. Das muss man auch
refinanzieren.“
Kirchner schwärmt dann noch vom internationalen Flair, das den Campus der
Sprachschule umgibt und das sich nun auf das angrenzende Stadtbad ausdehnen
werde. Tatsächlich treffen in der Schule Gäste aus aller Welt auf Berliner,
die im Restaurant Mittag essen; Nachbarschaftsinitiativen nutzen die
Veranstaltungsräume dort. Kirchner selbst hat in dem Gebäude in vielen
Runden mit den Anwohnern über die Sanierung der Kastanienallee gestritten.
Diese bunte Mischung ist auch dem Stadtbad zu wünschen.
Vorher müssen aber noch die Farbeimer aus dem Schwimmbecken verschwinden,
ebenso wie die Plastikfolien von den Deckenlampen. Auch im alten Heizraum
ist noch einiges zu tun, damit ab Mai auf drei Etagen gespeist werden kann.
Wo später die offene Küche sein soll, sind bislang nur blanke
Backsteinwände und Stahlträger zu sehen, und auch der Zugang muss noch
Pumps-verträglich umgebaut werden.
Für Barbara Jaeschke sind das Kleinigkeiten. „Vorher haben wir auf 9.000
Quadratmetern gleichzeitig gebaut. Nun sind es nur noch 400. Das klappt.“
Wer schon jetzt einen Blick ins Stadtbad Oderberger Straße werfen möchte,
kann das bei einer der kostenlosen Führungen tun, die immer dienstags um 17
Uhr angeboten werden
11 Feb 2016
## AUTOREN
Juliane Wiedemeier
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