# taz.de -- 90er-Jahre-Indieschnulzen, Cream-Pop und Bad-Ass-Techno: Für den S… | |
Ausgehen und Rumstehen | |
von Natalie Mayroth | |
An diesem Wochenende beschlich mich das Gefühl, mir bleibt nur ein Tag, um | |
auszugehen. Meine Energiereserven würden diesmal nicht für mehr reichen. | |
Wenn mich mein Körper schon dazu zwingt, langsamer zu machen, wollte ich | |
ihm wenigstens das volle Ausgehvergnügen bieten: Man stecke also drei | |
Abende in einen – und schon klingt es nach einem lebhaften Wochenende mit | |
der Garantie, den anstehenden, furchtbar nervigen Konsumfeiertag der | |
Blumen- und Pralinenmafia zu verträumen: sehr zu empfehlen. | |
Und das war gar nicht schwer, die Veranstaltungen häuften sich, doch ich | |
entschied mich für Freunde statt Kunst in den Kunstwerken. Das führte dazu, | |
dass ich seit Monaten zum ersten Mal wieder den Boden im Bergmannkiez | |
betrat. „Reality Bites Back – von 1990 bis 1999“ in der Ernst Bar. Aber, | |
okay Joachim war da, spielte „Babybird“ und Songs wie „Underwater Love“… | |
selbst gebrannten CDs mit der Beschriftung „Hochzeit“ – das passte. | |
Der Gedanke, ob das mein Ernst war, hier lang unter | |
90er-Jahre-Indieschnulzen zu verweilen, schlich sich ein, doch mein Timing | |
war straff: Ein großes Radler und ein Gespräch mit Freundinnen später (ich | |
habe hier tatsächlich Anschluss gefunden) – dann zog es mich weiter nach | |
Mitte. Nächste Station: Creamcake. Kurz nach Mitternacht stand ich an der | |
Türe des Ohms, wo ich von der freundlichen Kassenfrau einen „Life?“-Stempel | |
erhielt. Ja, wie passend, dachte ich mir. Ich war so früh da, dass ich | |
Larry spielen hörte, die ich bisher immer verpasst habe. | |
Ein Mädchen im weißen Yin-und-Yang-Pullover fiel mir besonders auf. Sie | |
tanzte lässig zu „We Found Love“. Ein Riri-Track durfte beim Cream-Pop-Set | |
von Larry nicht fehlen. Ich fühlte mich nicht in der Stimmung, mich | |
großartig zu Liebesliedern zu bewegen. Danach legte Mo Probs auf. Davor | |
stand ich eher rum, doch sie brachte mich mit dem Jam-City-Track „In the | |
Park“ fast zum Tanzen. | |
Nach ihr geigte auf dem DJ-Pult stehend eine junge Frau in Radlerhosen. Da | |
fiel mir wieder ein, dass noch eine Gästeliste auf mich wartete. Vom Taxi | |
wechselte ich zum Bus, packte einen Freund (das Pluseins sollte auch nicht | |
verfallen) ein, der bereit für eine kleine Reise war. Wir tuckerten im N65 | |
an der Feiermeile Flutgraben vorbei. | |
Nächste Station: Schöneweide. Vom Bahnhof aus gingen wir auf eine trostlos | |
schöne Brücke zu, die aussah, als würde sie die eine Öde mit der anderen | |
Öde verbinden. Ich hätte hier ewig rumstehen können. Doch es war kalt. Also | |
liefen wir zügig Richtung Autocenter. Dahinter warteten schon junge | |
Menschen mit Plugs, Piercings, in engen Hosen und bauchfrei. An der Kasse | |
fehlte mein Name: wie unpassend. Ich hatte doch eben noch eine „Ich sichere | |
mich ab“-SMS an den Veranstalter geschrieben. | |
Doch auch hier war die Kassenfrau nett, ließ uns passieren. Neuer Club | |
designt vom Berghain-Architekten, hatte ich im Internet gelesen. Später | |
lernte ich den involvierten Bauunternehmer kennen, einen eisernen | |
Junggesellen, der im Club stolz ein paar Handyfotos machte: Heute war | |
schließlich Eröffnung. | |
Ich entlockte ihm, dass „Weyde“ einmal „Schabernack“ hieß. Wenigstens … | |
davon nichts mehr zu erkennen. Der Waterfloor bot einen Ausblick auf das | |
tristeste Spreegrau, das ich seit Langem gesehen habe. Auf dem Hauptfloor | |
polterte währenddessen harter Techno. Die junge Frau hinter dem Pult hatte | |
sichtlich ihren Spaß. | |
Wir mischten uns unters Feiervolk, das bis fünf Uhr noch ganz gut | |
durchhielt. Warm bin ich mit dem Design nicht geworden. Die industriell | |
angehauchte Wandfassade, die mit einem Metallgitter verkleidet war, sah für | |
mich mehr nach Klettergerüst als Technotempel aus. Nachdem ich bis sechs | |
Uhr durchgehalten hatte, beschloss ich, dass ich müde genug war, um | |
mindestens bis Montag zu schlafen, um nächstes Wochenende ein bisschen mehr | |
zu erleben. | |
16 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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