# taz.de -- Abtreibungsgegner in den USA: Der Angriff ging nach hinten los | |
> David Daleiden wollte Planned Parenthood diskreditieren. Jetzt steht er | |
> vor Gericht, weil er dafür einen gefälschten Führerschein benutzte. | |
Bild: Der Firmensitz von Planned Parenthood in Houston. | |
WASHINGTON taz | David Daleiden wäre gern der gefeierte Held in einem der | |
großen amerikanischen Kulturkriege geworden, im Krieg um das | |
Abtreibungsrecht. Eine Zeit lang sah es so aus, als gelänge ihm das. | |
Zumindest schien er es im Wahlkampf zu einer gewissen Prominenz zu bringen, | |
nicht als Kandidat, wohl aber als eine Art Kronzeuge. | |
Immerzu wurde er zitiert, wenn der eine oder andere republikanische | |
Bewerber deutlich machen wollte, was für ein tiefer kultureller, ethischer, | |
philosophischer Graben ihn doch von jener Politikerin trennt, die sich | |
trotz mancher Pannen gute Chancen ausrechnet, Barack Obama im Oval Office | |
zu beerben. Von Hillary Clinton, die oft betont, für wie unverzichtbar sie | |
Planned Parenthood hält. Und die die Organisation gerade in ihrem | |
Präsidentschaftswahlkampf [1][offiziell unterstüzt hat]. | |
Das Netzwerk betreibt Frauenkliniken, in denen unter anderem Abtreibungen | |
durchgeführt werden. Vielerorts bedeutet es für Frauen und Mädchen mit | |
niedrigem Einkommen die einzige Möglichkeit, an Kontrazeptiva zu kommen. | |
[2][Daleiden wiederum versuchte es mit einem billigen Trick aufs Glatteis | |
zu führen.] In einem Restaurant trafen sich zwei vermeintliche | |
Biotechnologen mit einer Ärztin der Klinikkette, um ihr bei gutem Essen und | |
Rotwein Geld für das Zellmaterial abgetriebener Föten anzubieten. Mit | |
versteckter Kamera gefilmt, brachte das Video des eher locker geführten | |
Gesprächs Planned Parenthood für ein paar Wochen in Erklärungsnot, während | |
es auf Seiten der christlichen Rechten zum Renner wurde. | |
Als es Daleiden im Juli ins Netz stellte, begann das Rennen ums Weiße Haus | |
gerade an Fahrt aufzunehmen. Kein Zweifel, der Abtreibungsgegner aus | |
Kalifornien, dessen Center for Medical Progress sich als Gruppe ethisch | |
motivierter „Bürgerjournalisten“ präsentiert, wollte Kampagnenmunition | |
liefern. Man kann auch sagen, dass es sich um den verzweifelten Versuch | |
handelte, etwas zentral auf die Agenda zurückzuholen, was in letzter Zeit | |
nicht mehr so richtig gezogen hatte. | |
Ob Abtreibung oder Homo-Ehe, es sind längst nicht mehr die Reizthemen, die | |
sie früher mal waren. Man ist toleranter, was auch für junge Republikaner | |
gilt, deren Ansichten zu beiden Punkten sich oft kaum unterscheiden von | |
denen ihrer Altersgenossen, die sich zur Demokratischen Partei bekennen. | |
Immerhin schaffte es Daleiden, einen konservativen Kern zu mobilisieren. In | |
zwölf zumeist konservativ regierten Bundesstaaten, von Michigan im Norden | |
bis nach Florida und Texas im Süden, nahmen Staatsanwälte Planned | |
Parenthood unter die Lupe, um herauszufinden, ob die Organisation gegen | |
Gesetze verstieß, die den Verkauf embryonalen Zellmaterials untersagen. | |
Nirgends fanden sie Beweise dafür, auch nicht in Houston. Dafür folgte nun, | |
ausgerechnet in Houston, der Wirtschaftsmetropole eines noch immer ziemlich | |
konservativen Bundesstaats, die überraschende, ironische Volte. | |
## Buhlen um die Evangelikalen | |
David Daleiden, entschied eine Grand Jury aus Geschworenen, wird sich vor | |
Gericht verantworten müssen. Im Falle eines Schuldspruchs muss er mit | |
mindestens zwei und höchstens 20 Jahren Gefängnis rechnen. Er hatte sich | |
nämlich, genau wie eine Verbündete namens Sandra Merritt, mit gefälschten | |
Führerscheinen – die Plastikkärtchen ersetzen in den USA den | |
Personalausweis – bei Planned Parenthood ausgewiesen. Was strafbar ist. | |
Das heißt nicht, schon gar nicht in einem Wahljahr, dass der Kulturkrieg | |
damit abgehakt wäre. Dazu buhlen etliche Präsidentschaftsanwärter zu heftig | |
um die Stimmen evangelikaler Christen, gerade in Iowa, wo letztere schwer | |
ins Gewicht fallen und wo am Montag der Vorwahlmarathon beginnt. Marco | |
Rubio jedenfalls, aussichtsreich im Kandidatenrennen, verteidigt Daleiden | |
so wortstark, als wäre der ein neuzeitlicher Drachentöter. | |
Nur gibt es eben eine rote Linie, die auch Republikaner der moderateren | |
Denkschule nicht zu überschreiten wagen. Planned Parenthood ist beliebt: 61 | |
Prozent der Wähler sind dagegen, ihr Budget auch nur um einen Dollar zu | |
kürzen. Und Hillary Clinton hat sich weiter aus dem Fenster gelehnt, als es | |
sonst meist ihre Art ist. Worum es wirklich gehe bei der Kontroverse, sagt | |
sie, sei der Vorstoß, legale Abtreibungen unmöglich zu machen. | |
27 Jan 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.plannedparenthoodaction.org/elections/candidates/president/hill… | |
[2] /Abtreibungsgegner-in-den-USA/!5240163/ | |
## AUTOREN | |
Frank Herrmann | |
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