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# taz.de -- Berliner Szenen: Auf dem Amt
> Die Welt geht unter
Ich bin wohl sehr lange nicht mehr bei einer Behörde gewesen.
Das wird mir klar, als ich neulich früh morgens vor einem noch
geschlossenem Amt stehe. Es ist verdammt kalt draußen. Fünf Minuten vor
acht öffnet sich die Besuchertür. Überall freundlich grüßende Gesichter,
pfiffige Unterhaltungsdisplays, kuschelige Kinderecken.
Das habe ich ganz anders in Erinnerung. Ich brauche einen Stempel, der vor
vier Wochen hätte da sein sollen. Keine große Sache, aber er wird
gebraucht. Beim letzten Telefonat wurde mir geraten, persönlich
vorbeizukommen, das würde unter Umständen die Gelegenheit beschleunigen.
Das kleine Zimmer wirkt einladend. Die Sachbearbeiterin hat einen
rosafarbenen Pulli an und eine dampfende Kaffeetasse mit rotem Herz darauf
in der Hand. Ich könnte schwören, dass sie unter dem Tisch flauschig
gestrickte Pantoffeln verbirgt.
„Sie haben aber eine geile Mütze!“ sagt sie zur Begrüßung. Die Bemerkung
bringt mich dermaßen aus dem Konzept, dass ich zu stottern beginne. „Na,
was haben wir denn? Legen Sie los.“
Ich setze eine ernste Miene auf und verleihe meinem Frust über den
fehlenden Stempel eine nach meinem Ermessen optimal dosierte Note an
Dramatik. Ihr Gesicht verfinstert sich. „Die Welt geht unter, und Sie ...“
Das treibt mir unweigerlich die Röte ins Gesicht. Was wiederum die Dame
milde stimmt.
Die nächsten fünf Minuten palavern wir wie zwei alte Freundinnen über
Krisenherde, Lösungswege und persönliche Verantwortung jedes Einzelnen. Ich
bin ihr fast dankbar, dass sie auf mein Anliegen nicht mehr zu sprechen
kommt.
„Passen Sie gut auf sich auf!“, verabschiedet sie mich mit einem Händedruck
vor der Tür. „Ich komme gern wieder“, antworte ich. Das ist nicht einmal
gelogen. Jarina Kajafa
9 Feb 2016
## AUTOREN
Jarina Kajafa
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