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# taz.de -- Dada-Kommentar zur Lage der Welt: Letzte Lockerung
> Nur Ehrgeiz, Eseleien und Kleingehirne: Vor knapp 100 Jahren entstanden
> und immer noch aktuell – ein Dada-Künstler zum Zustand der Welt.
Bild: Was für ein unsinniger Planet!
Um einen Feuerball rast eine Kotkugel, auf der Damenseidenstrümpfe verkauft
und Gauguins geschätzt werden. Ein fürwahr überaus betrüblicher Aspekt, der
aber immerhin ein wenig unterschiedlich ist: Seidenstrümpfe können
begriffen werden, Gauguins nicht. […]
Die tausend Kleingehirn-Rastas embêtantester Observanz, welche erigierten
Bourgeois-Zeigefingern Feuilletonspalten servieren (o pastoses Gepinkel!),
um Geldflüsse zu lockern, haben dieserhalb Verwahrlosungen angerichtet, die
noch heute manche Dame zu kurz kommen lassen. (Man reflektiere drei Minuten
über die Psychose schlecht behandelter Optik; klinisches Symptom, primär:
Unterschätzung der Damenseidenstrümpfe; sekundär: Verdauungsbeschwerden.)
Was dürfte das erste Gehirn, das auf den Globus geriet, getan haben?
Vermutlich erstaunte es über seine Anwesenheit und wusste mit sich und dem
schmutzigen Vehikel unter seinen Füßen nichts anzufangen. Inzwischen hat
man sich an das Gehirn gewöhnt, indem man es so unwichtig nimmt, dass man
es nicht einmal ignoriert, aus sich einen Rasta gemacht (zu unterst:
schwärzlicher Pole; zu oberst: etwa Senatspräsident) und aus der mit
Unrecht so beliebten Natur eine Kulisse für ein wahrhaftig sehr starkes
Stück.
Dieser zweifellos nicht sonderlich heroische Ausweg aus einem immer noch
nicht weidlich genug gewürdigten Dilemma ist zwar vollends reizlos
geworden, seit er so absehbar ist (wie albern ist eine Personenwaage!),
aber eben deshalb sehr geeignet, gewisse Prozeduren vorzunehmen.
Napoleon, ein doch wirklich tüchtiger Junge, behauptete unverantwortlicher
Weise, der wahre Beruf des Menschen sei, den Acker zu bestellen. Wieso?
Fiel ein Pflug vom Himmel? Aber etwas hat der homo doch mitbekommen,
supponiere ich mir eine liebesunterernährte Damenstimme. Nun jedenfalls
nicht das Ackern; und Kräuter und Früchte sind schließlich auch schon
damals dagewesen. (Bitte hier bei den deutschen Biogeneten nachzulesen,
warum ich Unrecht habe.
Es wird jedoch sehr langweilen. Deshalb habe ich recht.) Letzthin also:
auch Napoleon, der ansonsten sehr erfreulich frische Hemmungslosigkeiten
äußerte, war streckenweise Stimmungsathlet. Schade.Sehr schade.
Alles ist nämlich rastaquouèresk, meine lieben Leute. Jeder ist (mehr oder
weniger) ein überaus luftiges Gebilde, dieu merci. (Nur nebenbei: 10
centimes dem Kühnen, der mir nachweist, dass etwas letztlich nicht
willkürlich als Norm herumspritzt!) Anders würde übrigens ein epidemisches
Krepieren anheben. Diagnose: rabiate Langeweile; oder: panische
Resignation; oder: transzendentales Ressentiment, usw. (Kann, beliebig
fortgesetzt, zum Register sämtlicher unbegabter Zustände erhoben werden.)
Der jeweilige landläufige Etat der bewohnten Erdoberfläche ist deshalb
lediglich das folgerichtige Resultat einer unerträglich gewordenen
Langeweile. Langeweile: nur als harmlosestes Wort. Jeder suche sich die ihm
schmackhafteste Vokabel für seine Minderwertigkeit! (Herziges Sujet für ein
scharfes Pfänderspiel!)
Es ist allgemein bekannt, dass ein Hund keine Hängematte ist; weniger, dass
ohne diese zarte Hypothese Malern die Schmierfaust herunterfiele; und
überhaupt nicht, dass Interjektionen am treffendsten sind: Weltanschauungen
sind Vokabelmischungen …
Sapristi, hier muss die Prozedeur ein wenig erweitert werden. (Kleines
Bild: leichte Kranetomie!) Nun: Alle Stilisten sind nicht einmal Esel. Denn
Stil ist nur eine Verlegenheitsgeste wildester Struktur. Und da
Verlegenheit (nach kurzer Beschlafung) als perfekteste Reue über sich
selber sich entschält, ist merkbar, dass die Stilisten aus Besorgnis, für
Esel gehalten zu werden, um vieles schlechter als diese sich benehmen.
(Esel haben nämlich zwei weitaus überragende Eigenschaften: Sie sind
störrisch und faul.) […]
O, über die so überheitere Verlegenheit, die mit einer Verbeugung vor sich
selber endet! Deshalb (dieser stilisierten Krümmung wegen) werden
Philosophien und Romane erschwitzt, Bilder geschmiert, Plastiken gebosselt,
Symphonien hervorgeächzt und Religionen gestartet! Welch ein erschütternder
Ehrgeiz, zumal diese eitlen Eseleien durchwegs gründlich (besonders
gründlich in deutschen Gauen) missglückt sind!! Alles Unfug!!!
5 Feb 2016
## AUTOREN
Walter Serner
## TAGS
Dada
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