# taz.de -- heute in hamburg: „Was wird nicht gesagt?“ | |
> Vortrag Historikerin Friederike Littmann über die Rolle der Handelskammer | |
> in der NS-Zeit | |
taz: Frau Littmann, basierte der Hamburger Handel in den 1940er Jahren auf | |
Zwangsarbeit? | |
Friederike Littmann: Das kann man klar mit Ja beantworten. Der Handel unter | |
den Nationalsozialisten hat schon früh Exportunternehmen „arisiert“. Die | |
wiederum nahmen sich das Recht, sich als Kompensation in den Ostgebieten | |
wie der Ukraine zu verbreiten. Dort wurde dann jüdisches Eigentum | |
konfisziert und Außenstellen aufgebaut, durch die Waren ins Reich | |
gelangten. Die Hamburger Handelsunternehmen haben sich dort sehr | |
„engagiert“ und im Zuge dessen Arbeitskräfte vor Ort verpflichtet. Später | |
siedelten dann auch Industriebetriebe in den Osten über, die dann auch hier | |
in Hamburg Stellen mit Zwangsarbeitern besetzten. | |
Wer hat diese Arbeiter nach Hamburg geschafft? | |
Ich kann nicht belegen, dass die Betriebe selbst großen Einfluss bei der | |
Beschaffung der Arbeitskräfte gehabt hätten – aber man kann es ihnen | |
unterstellen. Ich kann zumindest sagen, dass eine sehr aktive Rolle von der | |
Handelskammer eingenommen wurde. Die Betriebe dachten, dass die Bedienung | |
an Ressourcen der Ostgebiete, also die Zwangsrekrutierung, ihnen zustehe, | |
schließlich waren alle Handelskontakte nach Übersee im Zuge der | |
„Arisierung“ gekappt worden. | |
Wie geht die Handelskammer mit ihrer Verantwortung um? | |
Ganze 70 Jahre nach dem Krieg hat die Handelskammer ein Buch zur Aufklärung | |
herausgebracht. Ob man das nach so langer Zeit noch loben sollte, weiß ich | |
nicht. Zwar wird Unwiderlegbares zugegeben, zum Beispiel die Mitwirkung an | |
der „Arisierung“. Die Frage ist jedoch vielmehr: Was wird im Buch nicht | |
gesagt? Der Autor geht auf viele Nazi-Strukturen innerhalb der | |
Handelskammer nicht ein und tut die Sache mit der Behauptung ab, die | |
Zwangsbeschäftigung in Hamburg sei noch nicht erforscht. Dabei übersieht er | |
mein eigenes Buch, in dem ich Formen und Strukturen thematisiere. | |
Vielleicht wollte oder durfte er nicht. | |
Warum gibt man ein vermeintliches Aufklärungsbuch heraus, um doch zu | |
verschleiern? | |
Die Rolle der Kammer war in den 70 Jahren nach dem Krieg überhaupt nicht | |
angefasst worden. Wahrscheinlich ist der Druck durch die vielen | |
Publikationen, auch meine, zu groß geworden. Interview: NR | |
Vortrag „Zwangsarbeit in der Hamburger Kriegswirtschaft“: 19 Uhr, Museum | |
der Arbeit. Eintritt frei | |
25 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Nils Reucker | |
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