# taz.de -- Keine Tomaten mehr für Kreuzberg | |
> Gentrifizierung Ein Berliner Gemüseladen wurde zum Symbol des | |
> Mieterprotests. Jetzt macht er dicht | |
Bild: Ahmet Çalışkan vor seinem Laden in der Wrangelstraße | |
BERLIN taz | Der Berliner „Gemüseprotest“ ist zu Ende: Was im vergangenen | |
Frühling als spontaner und schnell anwachsender Nachbarschafsprotest | |
anfing, verliert nun sein symbolisches Zentrum. Der Gemüseladen „Bizim | |
Bakkal“ im Wrangelkiez, einem Teil des östlichen Kreuzbergs, wird | |
schließen. | |
Das Viertel befindet sich in einem Aufwertungsprozess, alteingesessene | |
Einwohner und viele Kleingewerbetreibende werden verdrängt. Schon im | |
vergangenen Mai sollte auch Bizim Bakkal schließen, das letzte | |
inhabergeführte Gemüsegeschäft. Nach dem das Haus den Besitzer gewechselt | |
hatte, kündigte der neue Vermieter den Vertrag. | |
Dagegen protestierte die Anwohnerschaft mehrere Monate lang mit | |
öffentlichen Picknicks, Konzerten und offenem Mikrofon. Da der Widerstand | |
so bunt daher kam und alle Milieus der Bevölkerung repräsentierte, wurde er | |
zum Sympathieträger und fand ein breites Medienecho. Vom „Gemüseprotest“ | |
und „Berlins freundlichstem Mieterprotest“ war die Rede. Als der Vermieter | |
die Kündigung tatsächlich zurücknahm, wurde die Gruppe überregional zum | |
Zeichen dafür, dass Gegenwehr gegen Verdrängung möglich ist. | |
Nun schließt der Laden also. Im Schaufenster klebt ein Aushang. Darin | |
erklärt Ahmet Çalışkan, der das Geschäft seit 30 Jahren betreibt, dass er | |
aus gesundheitlichen Gründen zum 31. März aufgeben werde. Eine Kundin, die | |
das liest, sagt: „Wir können das noch gar nicht glauben. Bizim Bakkal war | |
für uns viel mehr als ein Laden.“ Die Initiative „Bizim Kiez“, die im | |
Sommer 2015 aus den Protesten hervorging, bewertet den Ausgang dennoch | |
nicht ausschließlich als Niederlage. „Wir sind traurig“, sagt der Aktivist | |
Thomas Symanek. Aber positiv sei: Man habe erreicht, dass die Çalışkans | |
nicht einfach rausfliegen, sondern in Würde und selbstbestimmt schließen | |
könnten. Darüber hinaus spricht die Initiative der Familie Çalışkan ihren | |
Dank aus. Erst sie habe möglich gemacht, dass „Bizim Kiez“ entstand – �… | |
dass wir als Nachbarschaft so viel Druck aufbauen konnten“, für den Erhalt | |
des Ladens, aber auch für andere Themen. Vor zwei Monaten zum Beispiel | |
erreichte die Kreuzberger Nachbarschaft, dass der Bezirk erstmals von | |
seinem Vorkaufsrecht im Milieuschutzgebiet Gebrauch machte. | |
Nun fordert die Initiative mehr Schutz für kleine Gewerbetreibende – nicht | |
nur im Wrangelkiez und nicht nur in Berlin. Denn um lebendige Innenstädte | |
zu erhalten, gelte es sowohl Mieter zu schützen, als auch andere Räume zu | |
erhalten, die Nachbarschaften zum täglichen Leben benötigten. Dazu zählten | |
kleine Läden, die zugleich Treffpunkte seien, aber auch Räumlichkeiten wie | |
Kindertagesstätten oder Senioreneinrichtungen. | |
Konkret verlangt die Initiative unter anderem, das Instrument des | |
Milieuschutzes weiterzuentwickeln. Die Bundespolitik müsse dies so | |
ausgestalten, dass es auch für Gewerbemietverträge angewandt werden kann. | |
Tina Veihelmann | |
3 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Tina Veihelmann | |
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