| # taz.de -- Die Wahrheit: Es gibt keine Rettung | |
| > Im Auto. Auf dem Beifahrersitz. Draußen rauscht die Landschaft vorbei. | |
| > Drinnen redet der Fahrer über Gott und die Welt und redet und redet … | |
| Bild: Am Bahnhof sah ich sie missionieren. | |
| Wir sitzen im Auto. Wir fahren, fünfzig Minuten noch, wenn wir gut | |
| durchkommen. Das Auto ist zwei Jahre alt, und es ist alles dran: von | |
| Schnickschnack über Extras bis Pipapo. Jetzt gibt es einen ganz leichten, | |
| eigentlich nicht spürbaren Schlag von unten, mehr ein Geräusch als eine | |
| Erschütterung. Vielleicht haben wir ein abgebranntes Streichholz | |
| überfahren? Der Fahrer flucht: „Verfluchte Scheiße, die Straße könntense | |
| ooch ma machen! Ich zahle genug Steuern. Abbuchen, einziehen, erhöhen. Ich | |
| sag nur: Zahlemann und Söhne! Und dann sowas!“ | |
| Kurz denke ich daran, dass wir doch auf superebenen Straßen fahren. | |
| Eigentlich könnten die Autohersteller die Stoßdämpfer weglassen. Müssten | |
| sie sogar, damit man überhaupt was von da draußen bemerkt. | |
| Der Fahrer bremst dreißig Meter vor einem Ortseingangsschild von 118 auf 50 | |
| Stundenkilometer, brüllt: „Ich möchte mal wissen, wo meine Steuern bleiben! | |
| Diese ganze Verwaltung, der Staat, da überall versickert unser Geld, die | |
| lachen uns aus, sitzen schön mit Kaffee und Kuchen vor den | |
| Flachbildschirmen, die den ganzen Tag lang mehr Bildschirmschoner bewegen | |
| als irgendwas anderes! Und das ist alles gesteuert, das hat System! Ooch | |
| wenn’s dir nicht gefällt. Alles wird immer maroder, wir zahlen mehr und | |
| mehr und keener macht was!“ | |
| So geht es noch eine Weile weiter, bis wir auf ein Stauende zufahren, an | |
| dessen Beginn eine Baustellenampel steht. | |
| „O Mann, scheiße, hier bauen die ja nur! Ob Frühling, Winter oder Sommer: | |
| Immer bauen die! Die müssen doch nicht unter der Woche bauen, wenn der | |
| anständige Mensch arbeitet, die können doch am Wochenende bauen, die | |
| Idioten!“ | |
| „Heute ist Samstag“, sage ich. | |
| „Ach, wir sind wohl ganz schlau, was?! Du findest wohl alles richtig und | |
| gut hier, was? Dir fliegen jeden Tag die gebratenen Tauben ins Maul und | |
| immer ohne Rechnung, oder wie? Pass mal auf: Wenn du Streit willst, kannst | |
| du hier ganz schnell und unkompliziert aussteigen! Dann gehste zu Fuß | |
| weiter oder quatscht einen von den anderen Hirnies an, falls dich einer | |
| mitnimmt! Oder nich: Laufen soll ja gesund sein. Einmal Treppensteigen am | |
| Tag, und man wird zwanzig Jahre älter als wie sonst. Feine Sache! Zwanzig | |
| Jahre länger Rente! Weeßte, was das kostet? Wer soll’n das finanzieren? | |
| Heute ist Samstag. Ja, sicher, bei Typen wie dir ist jeder Tag Samstag, | |
| glaub ich dir sofort, Freundchen! Na prima: Grün! Jetzt bewegen wir uns, | |
| ein Wunder! Schön, dass die Ampel überhaupt umgeschaltet hat, ich trag’s | |
| mir gleich in den Kalender ein. Samstag! Ich geb dem Staat hier noch zehn | |
| Jahre, lass es zwölfe werden, aber dann ist Pumpe! Dann kommt Anarchie, | |
| dann geht nichts mehr, dann brennen sogar die Villen, und der Wachschutz | |
| läuft mit nassen Decken rum und weeß gar nicht, wohin zuerst. Und hier | |
| regieren dann Banden. Samstag! Hier geht doch alles den Bach runter. Ja, | |
| der Sprit ist billig im Moment. Aber wie lange noch? Der anständige | |
| Arbeiter wird doch jeden Tag beschissen. Und machen kannste nüscht!“ | |
| Es gibt keine Rettung. | |
| 20 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Udo Tiffert | |
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