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> Nur in deinem Kopf
Eigentlich hatte ich nach den grauenvollsten Ferien des Jahres (kein Hort!)
endlich arbeiten wollen. Denken, schreiben, am liebsten in einem Café. Doch
nach einem Arzttermin und einer Irrfahrt durch die westliche Stadt endlich
am Ziel, dem Dujardin im Wedding, läuft mir R. in die Arme. Es ist schon
fast Mittag; er will essen und kommt mit. J., der nebenan wohnt, ruft an.
Er will Schreibpause machen (Neid!). Dann kommt noch M. dazu und es ist
perfekt.
„Ich war gestern bei Roncalli“, werfe ich in die Runde. „Hab gemerkt, dass
ich alt geworden bin.“
„Konntest du nicht mehr staunen?“
Nein, das war es nicht, staunen konnte ich. Über die mageren und muskulösen
Rücken der Artistinnen. Über die winzigen, glitzernden Stoffstreifen, die
ihren Schritt gerade so bedeckten. (Eine Show für die ganze Familie!) Über
die völkerschauartigen Akrobatik-Performances, die Frau Riefenstahl eine
wahre Freude gewesen wären. Staunen konnte ich aber wirklich.
Alt bin ich, weil ich das alles nie mehr können werde. Diese ganze geile
Schwerelosigkeits-Muskel-Körperspannungs-Kraft. Ich saß da und fühlte mich
wie eine Wuchtel (österr. Mehlspeise, Anm. d. Autorin) in lauwarmer
Vanillesause.
Gottlob gibt es die Clowns. Die mit der schlechten Haltung, wie gerade vom
Schreibtisch aufgestanden. Der eine sieht aus wie Slavoj Žižek im weißen
Strampler. Er verhält sich auch ungefähr so, nur dass seine Stimme ganz
hell ist und er nur „Mihihi“ sagt. Der andere sieht original aus wie Bob
Dylan. Die Locken, die Nase, das leicht Griesgrämige. Gelbe Hosen, runder
Hut. Er spielt melancholisch mit Plastiktüten.
Ob das gewollt war? Žižek und Dylan als intellektuelle Clowns im
Alt-68er-Circus Roncalli?
R., J. und M. lachen mich ungläubig bis liebevoll-mitleidig aus. „Mann“,
sagen sie, „das ist alles nur in deinem Kopf.“
Kirsten Reinhardt
9 Jan 2016
## AUTOREN
Kirsten Reinhardt
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