# taz.de -- „Wir werden nicht als brutale Monster geboren“ | |
> Aufklärung Harish Sadani von Mava stellt seit über 20 Jahren das | |
> despotische indische Männerbild infrage. Ein Interview | |
Interview Katharina Finke | |
taz.am wochenende: Herr Sadani, Sie haben vor über zwanzig Jahren Mava | |
gegründet, um Männer dafür zu sensibilisieren, was Gewalt und Missbrauch in | |
der indischen Gesellschaft bedeuten. Wie kam es dazu? | |
Harish Sadani: Es wurde schon immer viel getan, um die Frauen und ihre | |
Rechte zu stärken. Das ist bis heute wichtig. Aber ihre Emanzipation führt | |
bei den Männern häufig zu Frustration. Außerdem wurden Männer lange nur als | |
Täter und Problem betrachtet, dabei leiden auch sie und sollten Teil der | |
Lösung sein. | |
Woher kommt das? | |
Weil das Patriarchat nicht nur diskriminierend gegenüber Frauen ist, | |
sondern auch gegenüber Männern. Und leider hat der Großteil der indischen | |
Bevölkerung immer noch ein stereotypes Geschlechterverständnis. Das merke | |
ich auch in meinen Workshops, wenn ich die Teilnehmer zu ihren | |
Gender-Assoziationen frage. Männlich bedeutet: Aggression, Stärke und | |
Macht. Weiblich genau das Gegenteil: Sanftmut, Emotionen und Schwäche | |
zeigen. | |
Was für Schlüsse ziehen Sie daraus? | |
Indischen Männern wird eingebläut, dass sie aggressiv sein und ihre Frauen | |
besitzen müssen. Deswegen sollen sie die Männer jederzeit mit allem | |
versorgen, also auch mit Sex, egal ob sie das wollen oder nicht. Männer | |
werden also nicht als brutale Monster geboren, sondern von der Gesellschaft | |
dazu erzogen. Um das zu ändern, muss ein neues Bewusstsein entstehen. Auch | |
bei den Männern. Insbesondere bei der Generation, die jetzt heranwächst. | |
Was sind bei Ihrer Arbeit die größten Herausforderungen? | |
Dass sie ihre patriarchalischen Privilegien abgeben sollen, das ist für die | |
Männer in meinen Kursen anfangs eine fast unmögliche Vorstellung. Es | |
braucht Zeit, bis sie die Vorteile sehen. Wir müssen ihnen das gut erklären | |
und sie da abholen, wo sie sich wohlfühlen. | |
Sind die Kurse das einzige Angebot? | |
Wir bringen auch ein Magazin heraus. Und machen Onlinekampagnen. Wichtig | |
ist immer, positive männliche Vorbilder zu vermitteln. | |
Sie sind selbst auch ein Mann, was sind Ihre persönlichen Erfahrungen? | |
Manchmal habe ich das Gefühl, ich ersticke an diesen Männerklischees, vor | |
allem weil ich sie nicht erfülle und nicht erfüllen will. Ich bin über 50, | |
unverheiratet und setze mich für Geschlechtergleichheit ein. Selbst Freunde | |
und Bekannte haben dafür selten Verständnis. Das macht oft einsam. Aber zu | |
sehen, wie toll sich Männer verhalten, deren Mentor ich war, gibt mir | |
Hoffnung. | |
19 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Katharina Finke | |
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