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# taz.de -- Alliiertes Erbe mit Potenzial
> Hinterlassenschaft Als die Alliierten vor gut 20 Jahren die Stadt
> verließen, blieben ihre Immobilien zurück. Viele sind bis heute ungenutzt
> – ein Unding in Zeiten des Wohnraum-mangels. Eine Bestandsaufnahme in
> den ehemaligen vier Sektoren
Bild: September 1994, Bahnhof Lichtenberg: Die letzten russischen Soldaten verl…
von Anna Bordel und Anna Maria Graefe
Die Fenster im ersten Stock sind zugenagelt, lange Risse durchdringen die
graue Fassade. Ein Bauzaun soll am Betreten der Wohnhäuser hindern,
Graffiti zeugen davon, dass es doch gelingt. In den zwei verlassenen
Häuserblocks mitten in einer sanierten Wohnsiedlung in Karlshorst
residierten in den Zeiten von deutscher Teilung und Kaltem Krieg
sowjetische Offiziere. Über zwei Jahrzehnte nach dem Abzug der Alliierten
sind die beiden Wohnblocks immer noch russisches Staatseigentum. Sie
verfallen inmitten eines Bezirks, in dem ansonsten jeder Fleck Boden
genutzt wird, um neue Wohnungen zu bauen.
Ehemalige Kasernen, Wohnviertel und Bunker der Siegermächte prägen das Bild
Berlins an vielen Ecken bis heute. Einige Gelände sind in die
Stadtarchitektur integriert – andere, außerhalb des Stadtzentrums, stehen
bis heute leer oder verwahrlosen. Und das, obwohl Berlin dringend Wohnraum
benötigt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt geht davon
aus, dass in diesem und im kommenden Jahr rund 80.000 Menschen in die
Hauptstadt ziehen werden. Infolge der unüberschaubaren
Flüchtlingszuwanderung könnten es noch erheblich mehr werden. Die in
diesem Jahr fertiggestellten 12.000 Wohnungen reichen bei Weitem nicht
aus.
Am 3. Oktober 1990 vereinbarten die Siegermächte und die Bundesrepublik im
Einigungsvertrag, dass die Alliierten-Liegenschaften an den Bund übergehen.
In Berlin waren das damals 5.819 Wohnungen, außerdem fast 200 Hektar
Freiflächen und Kasernenanlagen. Wie viele der Alliierten-Liegenschaften
vom Bund bislang verkauft oder vermietet wurden und wie viele immer noch
auf eine Verwendung warten, ist nicht bekannt. Die Daten habe man nicht
erhoben, erklärt eine Sprecherin der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
(Bima), die im Auftrag des Bundes die Liegenschaften verwaltet. Das sei
damals einfach nicht nötig gewesen.
Als die Alliierten 1945 in Berlin einrückten, besetzten sie jene Gebäude,
die für eine Armee funktional geeignet waren, sagt Gundula Bavendamm,
Direktorin des Alliierten Museums in Dahlem. „Sie bezogen die schönsten
Stadtvillen, Kasernen und Flugplätze. Die Bewohner mussten teilweise über
Nacht ihre Häuser verlassen.“ Als sich Anfang der 50er Jahre herausstellte,
dass die Besatzer auf Dauer bleiben würden, fingen sie selbst an zu bauen –
ihre Soldaten sollten sich heimisch fühlen. So entstanden Kinos,
Kindergärten und Einkaufszentren.
Einige dieser Standorte wurden nach dem Abzug übergangslos weitergenutzt,
wie das Gebäude des Alliierten Museums in Dahlem. Andernorts dauerte es
dagegen länger, bis neue Ideen umgesetzt werden konnten. So fand sich zum
Beispiel für das ehemalige Hauptquartier der US-Armee in der Clayallee erst
nach fast 20-jährigem Leerstand ein Investor, der dort Luxuswohnungen
baute.
Für einige Immobilien aber ist die Nutzung bis heute nicht geklärt: ein
bekanntes Beispiel ist der Flughafen Tempelhof – ein Teil wurde früher von
den Amerikanern militärisch genutzt. Und mancherorts erschwert die
militärische Vergangenheit der Gebäude ihre Weiterverwendung. In den von
den Franzosen erbauten Wohnvierteln sind Leitungen, Rohre und Kabel nach
französischer Bauart verlegt, die mit deutschen Normen nur schwer
kompatibel sind. Zäune oder Mauern grenzen Kasernen ein, die häufig
Altlasten im Boden enthalten und sich daher nur begrenzt zum Wohnungsbau
eignen. Auch stehen viele der oft noch vor dem Zweiten Weltkrieg erbauten
Gebäude heute unter Denkmalschutz, sodass eine Sanierung aufwendig und
teuer ist. So verfallen in den letzten Jahrzehnten Wohnsiedlungen und
Kasernen der ehemaligen Besatzungsmächte immer mehr.
12 Dec 2015
## AUTOREN
Anna Bordel
Anna Maria Graefe
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