# taz.de -- Ein Brief an uns alle | |
> WOHLTÄTER Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat eine Tochter bekommen und | |
> ihr zur Geburt versprochen, rund 42 Milliarden Euro seines Vermögens zu | |
> spenden. Gut oder schlecht, Kalkül oder Mitgefühl? | |
von Reiner Metzger | |
Da staunt die Welt: Der reichste Jungspund des Planeten gibt fast sein | |
ganzes Vermögen weg. Am 1. Dezember haben Mark Zuckerberg und seine Frau, | |
die Ärztin Priscilla Chan, einen Brief an ihre neugeborene Tochter Max | |
verfasst, unterschrieben mit „Mom and Dad“, Mama und Papa. Dieser Papa | |
Zuckerberg ist 31 Jahre alt, einer der bekanntesten Menschen der Welt und | |
war lange Jahre der jüngste Multimilliardär überhaupt. Er ist Gründer und | |
Hauptbesitzer von Facebook, knapp 1,5 Milliarden Menschen tauschen damit | |
Wesentliches und Dummes aus. Ihre Daten greift er ab und verkauft so | |
passende Werbung. | |
Die Geburt der Tochter Max nehmen die Zuckerberg-Chans nun zum Anlass, ihr | |
Versprechen einer gigantischen Vermögensspende an eine Stiftung umzusetzen. | |
Jedes Jahr nur eine Milliarde, so der Plan – man müsse schließlich klein | |
anfangen, um zu lernen, wo das Geld am meisten bewirkt. | |
Die 45 Milliarden Dollar, nach aktuellem Kurs rund 42 Millionen Euro, der | |
beiden sind das jüngste Kapitel einer beispiellosen Spendenwelle von | |
Milliardären. 140 Milliardäre haben sich allein der Initiative Giving | |
Pledge angeschlossen und versprochen, mehr als die Hälfte ihres Vermögens | |
zu spenden. Angeführt wird Giving Pledge von Microsoft-Gründer Bill Gates | |
und dessen Frau Melinda. | |
Klingt gut, aber können Superreiche, also ausgerechnet die ultimativen | |
Profiteure des kapitalistischen Systems, überhaupt und prinzipiell die Welt | |
retten? Oder gilt, was der US-nigerianische Schriftsteller Teju Cole über | |
das Gutmenschentum der Reichen ätzt: „Sie unterstützen brutale Politik am | |
Morgen, gründen Wohltätigkeitsorganisationen am Nachmittag und erhalten | |
Preise am Abend?“ | |
Die sehr Reichen verschieben ihre Einkünfte dorthin, wo die Steuern am | |
niedrigsten sind, betreiben Fondsgesellschaften, die ganz legal außerhalb | |
des Steuersystems arbeiten, nutzen die weltweite Verwertungskette der | |
Produktion, um Milliarden von Kunden für ihre Profite zu gewinnen. Alles | |
richtig. Dieses System führt nicht zum Glück der Menschheit und könnte | |
geändert werden. Auch richtig. | |
Aber genau hier lohnt doch der genauere Blick: Wer arbeitet daran, dass | |
sich das ändert, wer verhindert eine Änderung? So weit wir wissen, | |
spendeten die Zuckerbergs in den USA jeweils ein paar Millionen Dollar an | |
die beiden großen Parteien. Peanuts. Es gibt andere Milliardäre wie die | |
Koch-Brüder, die ihr Geld weit massiver nutzen, um den US-Staat außerhalb | |
von Armee und Polizei zu zertrümmern und immer radikalere Politiker in | |
ihrem Sinne nach oben zu bringen. Andere spenden gegen Frauenrechte oder | |
für religiöse Fundamentalisten. | |
Da liegen die Giving-Pledge-Leute schon richtiger. Die meisten dieser | |
Spendenmilliardäre sind keine Sozialrevolutionäre, sie sind Reparateure und | |
Erfinder. Sie warten nicht, dass „das System“ sich ändert, sie gehen etwas | |
an. Hat ja in ihrem Leben bisher gut funktioniert. Und im Fall von Mom and | |
Dad Zuckerberg liest sich der Brief an ihre Tochter von den Zielen her eher | |
wie das Parteiprogramm einer Linkspartei. Sie reden von mehr Gleichheit, | |
vom Fördern von Menschen, vom Ausbrechen aus dem Kurzzeitprofit, vom | |
Engagement der Menschen, vom Debattenbeleben. | |
Mit Gleichheit meinen sie natürlich die Gleichheit von Chancen, nicht die | |
Gleichheit der Lebensverhältnisse. Schließlich sind sie Unternehmer, da | |
bleibt jeder seines Glückes Schmied. Milliardäre soll es weiterhin geben. | |
Aber sie erkennen explizit an, dass es diese Chancengleichheit derzeit in | |
weiten Teilen der Welt nicht gibt, auch nicht bei ihnen vor der Haustür in | |
San Francisco. | |
Was bei dem Brieflein gar nicht nach einem der bekannten linken Diskurse | |
klingt, ist der Zungenschlag: Er ist viel zu optimistisch. Es geht bergauf | |
in ihrem Weltbild. Die Armut und der Hunger sind weltweit auf dem Rückzug, | |
die Gesundheitsversorgung bessert sich, die Wissenschaft findet immer Neues | |
heraus. Es geht den Zuckerbergs und Gates aber nicht schnell genug. Da | |
stehen zu viele Nutznießer der jetzigen Zustände im Weg herum, wird zu viel | |
Potenzial nicht gehoben. Also gilt es, selbst Wege aufzuzeigen, wie es | |
besser geht. | |
Es ist das Weltbild der Erfolgreichen und der Techniker. Da soll x-mal | |
schneller gelernt werden als bisher, die besten Experten gefunden und | |
unterstützt, die Welt genauestens verstanden werden. All das natürlich | |
mithilfe eines immer allgegenwärtigeren Internets. | |
Immerhin: Technik allein kann die Probleme nicht lösen, schreiben auch die | |
Zuckerbergs. Deshalb muss dann die kommende Generation auch ran, wenn jetzt | |
schon so viel Geld gespendet wird für die Problembewältigung. „Wir können | |
es gar nicht erwarten, was du dieser Welt bringen wirst“, schreiben sie | |
ihrer kleinen Max. Ein ziemlicher Druck für die Kleine. | |
Und ein ziemlicher Druck auf die Stiftung, die da entsteht. Denn den Staat | |
zu umgehen, weil er es ja gar nicht oder zu langsam schafft, die gewünschte | |
Chancengleichheit herzustellen, die nötige Infrastruktur zu bauen oder die | |
Wissenschaft zu fördern, bedeutet ja auch, den Staat zumindest nicht zu | |
stärken. Aber besser als ihn mit Milliarden zu bekämpfen. | |
3 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Reiner Metzger | |
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