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# taz.de -- Pech für realsozialistische Familienarbeiterinnen
> Altersarmut Hausfrauen, die zu DDR-Zeiten geschieden wurden, haben keine
> Rentenansprüche. Exmänner müssen nicht teilen
Bild: DDR-Frauenbrigade bei einem feucht-fröhlichen Ausflug 1982: Dass Frauen …
von Astrid Springer
HAMBURG taz | Als ihre Kinder in den fünfziger und sechziger Jahren klein
waren, fehlte in der DDR noch die flächendeckende Kinderbetreuung. Wie die
Mütter im Westen blieben damals viele Frauen im Osten um der Familie willen
zu Hause. Heute müssen etliche von ihnen dafür büßen – mit Altersarmut.
Denn in der DDR geschiedenen Hausfrauen fehlen Rentenansprüche für diese
Zeit.
Die um 1930 geborenen Ehefrauen und Mütter, die seit den Siebzigern bis zum
Ende der DDR geschieden wurden, gehören zu den großen Verliererinnen der
deutschen Einheit. Im Gegensatz zu den Frauen im Westen erhalten sie keinen
Versorgungsausgleich, viele leiden unter Armut. Der Versorgungsausgleich
regelt die Aufteilung der Rentenansprüche bei der Trennung eines Paares.
Ursprünglich waren schätzungsweise 800.000 Frauen von der Benachteiligung
betroffen; inzwischen sind es noch 300.000.
Eine von ihnen ist Margit Strelow*. Sie lebte in Eisenach, als ihre drei
Kinder Mitte des vergangenen Jahrhunderts zur Welt kamen. 1973 hat sie sich
scheiden lassen. Als sie vor der Geburt des ersten Kindes beim Rat der
Stadt Eisenach einen Krippenplatz beantragt hatte, wurde der Buchhalterin
und Sekretärin beschieden: „Sie sind ja versorgt, Sie sind verheiratet, und
Sie haben keinen volkswirtschaftlich wichtigen Beruf. Da können wir nichts
tun.“
Als Ärztin etwa wäre sie „volkswirtschaftlich wichtig“ gewesen. Sie habe
damals die Welt nicht mehr verstanden, erinnert sich Margit Strelow: „Ich
bin mit meinem dicken Bauch die Treppe in diesem Haus runtergegangen und
hab geheult.“
Statt Versorgungsausgleich hatte die DDR ein anderes System, Hausfrauen
abzusichern. Sie bekamen für wenig Geld Marken, die sie in ein kleines Buch
klebten, berichtet die auf Genderfragen spezialisierte Beraterin Marion
Böker. Mit den Marken konnten Frauen rentenrelevante Zeiten nachweisen.
„Damit wurde ihre Rente komplett aufrechterhalten, denn sie taten ja
gesellschaftlich wichtige Arbeit“, sagt Böker, die Mitglieder des 1999
gegründeten „Vereins der in der DDR geschiedenen Frauen“ berät.
Nach der Wiedervereinigung konnten die Frauen mit ihren DDR-Marken nichts
mehr anfangen. Aber auf die Rentenansprüche der Exmänner hatten sie auch
keinen Zugriff. Denn einen rückwirkenden Versorgungsausgleich für
Scheidungen in der DDR schließt der Einigungsvertrag aus. Die geschiedenen
Hausfrauen wurden nicht einfach vergessen, sagt Judith Kerschbaumer,
Leiterin des Bereichs Sozialpolitik in der Verdi-Bundesverwaltung und
Vorstandsmitglied der Deutschen Rentenversicherung Bund. „Es war eine ganz
bewusste Entscheidung der Politik: Für diese Frauen hätte man einen
Ausgleich finden müssen. Dieser Ausgleich hätte Geld gekostet“, sagt die
Juristin. „Dieses Geld hätte aus Steuermitteln genommen werden müssen, und
diese Bereitschaft war nicht da.“
Die im „Verein der in der DDR geschiedenen Frauen“ Organisierten zogen bis
zum Bundesverfassungsgericht. Doch das wies die Klage ab. Der Europäische
Gerichtshof nahm die Klage erst gar nicht zur Entscheidung an – eine
Begründung dafür fehlt bis heute. „Es ist nicht möglich, rückwirkend die
Männer zur Verantwortung zu ziehen und diesen Versorgungsausgleich
rückwirkend durchzuführen“, erklärt Kerschbaumer das juristische Problem.
Denn die Männer müssten Rentenansprüche an ihre Exfrauen abtreten. Das käme
einer Enteignung gleich und verstoße daher gegen das Grundgesetz.
Die Vereinsfrauen haben auch versucht, auf eine politische Lösung zu
drängen. Sogar mit der frisch gewählten Bundeskanzlerin Angela Merkel
sprachen sie im März 2006. Die Kanzlerin versprach, sich der Sache
anzunehmen. Bis heute haben die Frauen nichts von ihr gehört.
Im Gegensatz zur Bundesregierung hat sich der Bundesrat bereits zweimal für
die DDR-Geschiedenen eingesetzt: das erste Mal im Jahr 2000 und das zweite
Mal zehn Jahre später. Zuletzt hatten sich die Länder Berlin und
Mecklenburg-Vorpommern für die Frauen stark gemacht. Doch die Vorstöße
scheiterten. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern Erwin
Sellering bleibt bei seiner Überzeugung, dass „da ein vereinigungsbedingtes
Unrecht“ vorliegt: „Aber die Bereitschaft, an diese großen Fragen noch
einmal heranzugehen, die ist sehr gering.“
*Name geändert
24 Nov 2015
## AUTOREN
Astrid Springer
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