| # taz.de -- Berliner Szenen: Punks | |
| > Wie die Singvögel | |
| Von so manchem Großstadtbewohner ist ja bereits hinlänglich bekannt, dass | |
| er sich, um überlebensfähig zu bleiben, seiner Umgebung anpasst. So | |
| zwitschern Singvögel, um den Straßenlärm zu übertönen, in der Stadt | |
| deutlich lauter als ihre auf dem Land beheimateten Artgenossen. Bei Punks | |
| ist mir ein analoges Phänomen erst kürzlich aufgefallen. | |
| Es fing damit an, dass ich auf dem Weg zu einer Pressevorführung am | |
| Savignyplatz beim Verlassen des Bahnhofs an einem Punk mit äußerst | |
| gepflegtem Äußeren vorbeikam, der auf einer Treppe saß und Dostojewski las. | |
| Ein Charlottenburger Bildungsbürger-Punk, dachte ich. Von nun an war mein | |
| Blick geschärft. | |
| Am nächsten Morgen auf der Schönhauser Allee dasselbe Phänomen: Im | |
| inzwischen doch recht kapitalismusaffinen Prenzlauer Berg hielten sich die | |
| Punks am liebsten in der Nähe von Banken auf. Während man jedoch vor der | |
| Deutschen Bank Nähe Eberswalder Straße noch klassisch herumlungerte, hielt | |
| ein paar hundert Meter weiter nördlich ein Kollege den Sparkassenkunden | |
| derart zuvorkommend die Tür auf, dass einem eindrucksvoll vor Augen geführt | |
| wurde, welch hohe Kundenzufriedenheitsstandards der Dienstleistungsstandort | |
| Prenzlauer Berg mittlerweile einfordert. | |
| In Friedrichshain hingegen ein gänzlich anderes Bild: An der Warschauer | |
| Brücke chillte eine Gruppe von Hipsterpunks mit Basecaps und Sneakers auf | |
| Liegestühlen in der Sonne und strafte die Heerscharen vorbeiziehender | |
| Touristen mit Missachtung. Wer wollte, durfte ein paar Münzen in eine | |
| riesige Metallschüssel werfen. Wer Dankbarkeit dafür erwartete, war fehl am | |
| Platz. An einer Ausweitung meiner Stichprobe auf Kreuzberg indes scheiterte | |
| ich: Ich begegnete schlichtweg keinem einzigen Punk. Könnte fast | |
| symptomatisch sein? Andreas Resch | |
| 17 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Resch | |
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