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# taz.de -- Nicht die Autobahn zur Eisenbahn machen
> Mobilität Grünen-Verkehrsminister Hermann warnt vor mehr Verkehr durch
> autonomes Fahren
STUTTGART taz | Kürzlich wohnte Winfried Kretschmann (Grüne) einer
Weltpremiere bei. Anfang Oktober machte es sich der baden-württembergische
Ministerpräsident mit Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard in einem Laster
bequem, der autonom über die A 8 bei Stuttgart brummte. Kretschmann lobte
die Fahrt als „Quantensprung“ und freute sich, dass die „Jungfernfahrt“…
„Geburtsland des Automobils“ stattfand.
Kretschmanns Verkehrsminister sieht selbstfahrende Fahrzeuge kritischer.
„Wir machen die Autobahn zur Eisenbahn“, sagte Winfried Hermann jüngst auf
einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung in Stuttgart über vernetzte
Mobilität. Dank Sensoren sollen Lkws künftig wie an einer Perlenschnur
aufgereiht über Autobahnen fahren, was zwar Verkehrsfluss und -sicherheit
erhöht, aber noch mehr Brummis und Emissionen bedeuten könnte. Auch
Visionen, Straßen mit Oberleitungen und Lkws mit Stromabnehmern
auszustatten, um Güterverkehre klimaverträglicher abzuwickeln, taugen aus
Hermanns Sicht nichts. Zunächst gelte, es alle Bahnstrecken im Land zu
elektrifizieren, meint der Grüne, der auch beim Autoverkehr schwarzsieht:
„Die Pkw-Auslastung liegt bei 1,2 Personen. Sie könnte unter 1 rutschen,
wenn Autos leer herumfahren.“ 200 Millionen Pkw-Sitzplätze hierzulande bei
80 Millionen Einwohnern zeugten schon heute von automobiler Ineffizienz.
Damit bremst Hermann die Selbstfahren-Euphorie, während die Autoindustrie
im Südwesten aufs Tempo drückt. „Wir erproben autonome Systeme auf der A 81
und in den USA“, verriet María Belén Aranda Colás, Projektleiterin bei der
Stuttgarter Robert Bosch GmbH. Der Prototyp beschleunige und bremse allein,
entscheide selbst, ob er überhole. Weniger Unfälle, Staus und Schadstoffe,
dafür mehr Komfort und Spaß sieht Colás als Ergebnis jahrelanger
Forschungs- und Versuchsarbeit, die bald serienreif sein soll.
„Hochautomatisiertes Fahren auf der Autobahn bis Tempo 130 wird bis 2020
kommen“, prophezeit die Ingenieurin. Länger selbst lenken müssen Autofahrer
innerstädtisch, wo es weniger geradeaus geht und Verkehrsteilnehmer
kreuzen.
Den grünen Verkehrsminister wundert’s, wie schnell das neue Zeitalter
anbrechen soll. In fünf Jahren autonom fahren ginge, die blaue
Umweltplakette in der Feinstaubhauptstadt Stuttgart einzuführen ginge aber
nicht, kritisiert er. Zweifel bestünden, ob autonomes Fahren zum
Verkaufsschlager taugt: „Es hat fünfzig Jahre gedauert, bis sich das
Automatikgetriebe durchgesetzt hat.“ Die Frage sei, ob man wolle, dass
autonome Autos durch ausgeräumte Städte fahren. „Die Technologiedebatte
wird ohne die Menschen geführt.“ Jürgen Lessat
13 Nov 2015
## AUTOREN
Jürgen Lessat
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