# taz.de -- Zeitungskrise Die Pressefreiheit ist ein grundgesetzlich geschützt… | |
Bild: Januar 1919, Spartakusaufstand: Kämpfer verbarrikadieren sich mit allen … | |
von Karl-Heinz Ruch | |
Die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind ebenso | |
wie die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch | |
Rundfunk und Film als Grundrecht in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert. | |
Anders als in den Bereichen der Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre | |
gibt es bei Presse, Funk und Film neben den privatwirtschaftlichen und den | |
öffentlich-rechtlichen Angeboten in Deutschland keine gemeinnützig | |
organisierten Strukturen. | |
Der Katalog, in dem die gemeinnützigen und damit steuerlich begünstigten | |
Zwecke in der Abgabenordnung aufgelistet sind, führt zwar neben vielem | |
anderen die Förderung der Tierzucht, der Pflanzenzucht, der Kleingärtnerei, | |
des traditionellen Brauchtums einschließlich des Karnevals, der Fastnacht | |
und des Faschings, der Soldaten- und Reservistenbetreuung, des | |
Amateurfunkens, des Modellflugs und des Hundesports unter den | |
gemeinnützigen Zwecken auf, aber eben nicht die Förderung der | |
Pressefreiheit. Das Fehlen einer gemeinnützig organisierten Struktur der | |
Presse hat seit Bestehen des Grundgesetzes eigentlich auch noch nie | |
jemanden wirklich gestört. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und | |
Fernsehanstalten sind für die Erfüllung ihres Auftrags der informationellen | |
Grundversorgung mit einem Grundbeitrag für alle Bürger zumindest finanziell | |
bestens ausgestattet, und für die privatwirtschaftlichen Verlage war die | |
Symbiose aus Werbung und Journalismus über Jahrzehnte ein sehr | |
einträgliches Geschäftsmodell. | |
Dieser Zustand ändert sich zusehends, je mehr das Geschäftsmodell der | |
Finanzierung von Journalismus durch Werbung im digitalen Medienzeitalter | |
nicht funktioniert. Wenn aber am Ende nur noch die öffentlich-rechtlichen | |
Angebote bleiben, bedeutet das eine Einschränkung der Meinungsvielfalt und | |
weniger Demokratie. Mit der wachsenden Krise ihrer Branche sind es vor | |
allem JournalistInnen, die aus Sorge um die Zukunft ihres Berufs über neue | |
Wege zur Finanzierung des Journalismus nachdenken. | |
So nimmt sich das von der Brost-Stiftung geförderte Redaktionsbüro | |
Correctiv mit Verve der unabhängigen gemeinnützigen Recherche an. Die | |
Krautreporter erringen mit der Idee der Leserfinanzierung im Netz einen | |
beachtlichen Erfolg. Im Bundesverband Deutscher Stiftungen diskutiert ein | |
Expertenkreis aus Öffentlichkeitsarbeitern namhafter Stiftungen über die | |
Zukunft des Qualitätsjournalismus. In der taz verfolgen wir solche Ansätze | |
mit großer Sympathie, denn auch die taz musste immer wieder eigene und neue | |
Wege finden, um zu bestehen. | |
Die taz ist keine gemeinnützige Einrichtung im Sinne der Abgabenordnung, | |
obwohl viele ihrer UnterstützerInnen sie per se für gemeinnützig halten. | |
Bei der taz haben wir es mit einer gemeinwirtschaftlich orientierten | |
Genossenschaft zu tun, deren Satzung ganz auf ihre besonderen Verhältnisse | |
zugeschnitten ist und nicht auf Gemeinnützigkeit. | |
Aus der Tradition der Selbstverwaltung kommend, wurde vor 25 Jahren die | |
Idee der Verbindung einer Produktivgenossenschaft, mit den Mitarbeitenden | |
als Produzenten und einer Konsumgenossenschaft mit den LeserInnen als | |
Konsumenten in einer gemeinsamen Verlagsgenossenschaft umgesetzt. Mit | |
dieser Struktur bietet die taz-Genossenschaft ihren Unterstützern und | |
Mitarbeitern einen gemeinsamen Rahmen, in dem auch in digitalen Zeiten der | |
unabhängige Journalismus der taz bestehen kann. | |
Aber weit über die taz hinaus stellt sich die Frage, wie das denn | |
funktionieren kann mit einem gemeinwirtschaftlich oder gemeinnützig | |
organisierten Journalismus neben den Öffentlich-Rechtlichen und den | |
privaten Verlagen. Ein solcher Journalismus würde nicht mehr durch Werbung | |
finanziert werden und auch nicht durch Zwangsbeiträge. Es müsste ein von | |
LeserInnen freiwillig finanzierter Journalismus sein unter steuerrechtlich | |
förderlichen Rahmenbedingungen, die sich aus dem Artikel 5 des | |
Grundgesetzes eindeutig begründen ließen. | |
Auch heute schon wird die Presse steuerlich privilegiert behandelt. Neben | |
Waren des täglichen Bedarfs oder der Kultur wie Lebensmittel und Bücher | |
kommen Zeitungen in Deutschland in den Genuss eines ermäßigten | |
Mehrwertsteuersatzes von 7 Prozent. Der gilt allerdings nur für die | |
gedruckten und nicht für die digitalen Ausgaben der Zeitungen, für die | |
müssen die LeserInnen 19 Prozent Mehrwertsteuer entrichten. Es vergeht kein | |
Verlegerverbandstreffen, auf dem die Bundeskanzlerin nicht die Korrektur | |
dieses Systemfehlers ankündigt. Allein: Bisher wurde er nicht korrigiert. | |
Zuletzt hat der EU-Kommissionspräsident angekündigt, im Jahr 2016 eine | |
Initiative auf europäischer Ebene für einen ermäßigten Steuersatz | |
unabhängig von der Verbreitungsform einer Zeitung umzusetzen. | |
Für einen von LeserInnen finanzierten Journalismus als Alternative zu den | |
Öffentlich-Rechtlichen und den privaten Verlagen ist die Höhe des | |
Mehrwertsteuersatzes essenziell. Die notwendige Forderung heißt aber nicht | |
7 statt 19 Prozent für Journalismus, sondern keine Mehrwertsteuer auf | |
Journalismus, also null Prozent. | |
Karl-Heinz Ruch, 61, ist seit Gründung der taz 1979 auch deren | |
Geschäftsführer | |
7 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Kalle Ruch | |
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