| # taz.de -- Zum Glück war Pokal | |
| > Fußball Zwar nicht David gegen Goliath, aber immerhin: Warum Hertha BSC | |
| > trotz eines schwachen Spiels beim FSV Frankfurt nun im Achtelfinale steht | |
| > – und weiter vom Finale daheeme in Berlin träumen darf | |
| Bild: Der Hunger nach Erfolg ist auch bei den Fans von Hertha BSC riesig | |
| von Timo Reuter | |
| „Am Ende hatte dieser Abend alles, was man sich für den Pokal wünscht“, | |
| sagte Pál Dárdei am späten Dienstagabend, kurz nach dem Spiel seiner | |
| Mannschaft. Und damit hatte der Trainer von Hertha BSC nicht unrecht. Denn | |
| zu einem echten Pokalspiel wurde die Partie der Berliner beim FSV Frankfurt | |
| nicht nur, weil sich der Außenseiter mit dem Favoriten messen musste, | |
| sondern auch, weil ihm das bis in die Verlängerung hinein gelang. | |
| Da war der Überraschungsfünfte der Bundesliga aus Berlin also zu Gast bei | |
| einer Mannschaft, die trotz aller Unkenrufe seit sieben Jahren im deutschen | |
| Fußballunterhaus mit bescheidenen Mitteln die Klasse hält. Zwar nicht David | |
| gegen Goliath also, aber immerhin: Die Hauptstadt spielt in Bornheim, | |
| dessen Klub sich den Reiz des Amateurvereins von nebenan bewahrt hat. | |
| Hier zwischen U-Bahn-Gleisen und Schrebergärten ist alles familiärer als | |
| sonst im Profifußball. Das Stadion am Bornheimer Hang fasst 12.500 Plätze – | |
| und war auch gegen die Hertha mit nur gut 8.000 Zuschauern gefüllt. | |
| Inmitten von Bierbänken und Wurstständen war hier der Charme des | |
| Außenseiters zum Greifen nahe. | |
| Und auch die Berliner hatten einiges mitgebracht, um ihrer Favoritenrolle | |
| gerecht zu werden – zumindest auf dem Papier. Die Hertha konnte sich in den | |
| letzten Wochen mit der drittbesten Abwehr der Liga in deren Spitzengruppe | |
| festbeißen. | |
| Und so fragte mancher Anhänger vor dem Spiel schon mal, „in welcher Liga | |
| dieser FSV überhaupt spielt“. Der Hunger nach Erfolgen ist in Berlin gar so | |
| groß, dass man den Pokal bereits vor der Saison zur neuen Projektionsfläche | |
| der eigenen Sehnsüchte erklärte. Ausgerechnet der Wettbewerb also, in dem | |
| sich die Herthaner in den letzten Jahren regelmäßig gegen Amateurklubs | |
| blamierten. | |
| Vielleicht aber auch erst recht der Pokal – Pál Dárdei jedenfalls gab | |
| bereits vor der Saison freimütig zu bekennen, dass er und seine Familie | |
| „immer über das Gelände am Olympiastadion spazieren und beim Finale | |
| zusehen“. Weil ihn das so ärgert, will er nun mit seiner Mannschaft | |
| dorthin. Der Weg scheint denkbar kurz, nirgendwo lassen sich so schnell | |
| Titel gewinnen wie im Pokal. Die erste von fünf Aufgaben bis zum Finale | |
| daheeme meisterten die Berliner im August mit einem 2:0 bei Arminia | |
| Bielefeld. Nun sollte Bornheim die nächste Zwischenstation sein. | |
| So weit die Theorie. Das Schöne am Pokal ist aber, dass vieles anders | |
| kommt, als man glaubt. Durch das Prinzip Siegen oder Fliegen ist nicht nur | |
| für Spannung gesorgt, sondern auch für Überraschungen. Außenseiter wachsen | |
| über sich hinaus, Favoriten unterschätzen ihre Gegner – und in einem | |
| einzigen Spiel kann der Faktor Glück eher den Ausschlag geben als im Laufe | |
| einer langen Saison. Kurz: Der Pokal hat seine eigenen Gesetze. | |
| Und die galten auch an diesem Dienstagabend in Bornheim. Von einem | |
| Klassenunterschied war nichts zu sehen. Das lag zwar auch an engagierten | |
| Frankfurtern, die ihr Maximales aufboten. Der FSV zeigte zwar keinen | |
| schönen Fußball, schaffte es aber mit Kampf und Leidenschaft, dem Gegner | |
| Paroli zu bieten. | |
| Doch es lag eben auch an fast schon behäbigen Berlinern, die den | |
| unterklassigen Gegner kaum unter Druck setzen konnten. Hertha ließ die | |
| Kompaktheit der letzten Wochen vermissen – und machte Fehler. So erzielten | |
| die Gastgeber kurz nach der Pause das 1:0. Zwar glichen die Hauptstädter | |
| kurz darauf aus, aber überzeugen konnten sie auch dann nicht. Und so | |
| dümpelte die Partie in der netten Atmosphäre des Bornheimer Nachthimmels | |
| vor sich hin. | |
| Doch zum Glück war ja Pokal. Ein Sieger musste her – und das sorgte für | |
| Spannung. Aber wie sollte es in so einem Spiel, das eigentlich keinen | |
| Sieger verdient hatte, auch anders sein: Am Ende entschied ein Elfmeter in | |
| der Verlängerung über Sieg und Niederlage. In der 99. Minute holte der | |
| Berliner Stürmer Salomon Kalou geschickt einen Strafstoß heraus – und | |
| verwandelte ihn gleich selbst. | |
| „Wir waren die bessere Mannschaft, aber Hertha war abgezockter und reifer“, | |
| befand der Frankfurter Coach Tomas Oral nach dem Spiel. Man könnte auch | |
| sagen: Hertha hatte einfach mehr Glück. Und am Ende das, was man im Pokal | |
| braucht, um weiter vom Finale zu träumen: einen Sieg. Vielleicht wird es ja | |
| doch noch eine Liebesgeschichte – der Pokal und die Hertha. | |
| 29 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Timo Reuter | |
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