# taz.de -- zwischen den rillen: Zum Pattern, zur Freiheit! | |
Battles: „La Di Da Di“ (Warp/Rough Trade)↓ | |
Man wartet gespannt, man lauscht ganz genau auf winzige Veränderungen, aber | |
die Klimax kommt nicht. Wohl aber der Reiz, die Beine zu bewegen. Und dann | |
knallt es und die Musik ist vorbei. Wir sind Opfer eines Experiments | |
geworden. „Ich wollte nicht wie die Chemical Brothers enden“, sagt John | |
Stanier, Schlagzeuger der US-Band Battles. „Immer auf der Suche nach der | |
neuen Hitsingle sein. Mit Iggy Pop oder sonst wem kollaborieren müssen.“ So | |
spricht ein Künstler, der seine Musik leben lässt. Er trommelt präzise wie | |
ein Apparat, unermüdlich und immer eine Millisekunde vor dem Beat. | |
Im stetig nachwachsenden und verwildernden Mischwald der | |
Genre-Ausdifferenzierungen hat sich der so überflüssige wie ungenaue | |
Begriff „Math Rock“ gefunden für einen Stil, der mit ungeraden Takten und | |
vielen Breaks arbeitet. Wer Battles unter solche Reißbrettmusik | |
subsumieren will, hat nichts verstanden. Wenn überhaupt, sind sie Erben | |
einer Revolution, die Steve Reich in den Sechzigern lostrat. Damals | |
erfanden er und Terry Riley Minimal Music, die das Pattern in den | |
Vordergrund stellt, die stetig sich wiederholende Figur – anstelle der | |
Melodie. Das war als Kampfansage an Wohlklang und Bürgerlichkeit gemeint: | |
zum Pattern, zur Freiheit! | |
Nur in solch einer Linie sind Battles zu verstehen. Eine Band, die | |
verschiedene Sänger beschäftigte und auf ihrem vorletzten Album „Gloss | |
Drop“ fast schon Hitmaterial schrieb, wendet sich nun der knallharten | |
Instrumentalmusik zu. Durchaus mit Ironie und Humor. Die immer wieder aus | |
der Ursuppe des Sounds aufsteigenden Muster klingen zickig, wie Parodien | |
ihrer selbst, leiten erst spät in Rockexplosionen hinein – oder ins | |
analoge Synthie-Chaos. | |
Bekannt wurde der New Yorker Stanier als Drummer der Noiserockband Helmet, | |
Ende der Achtziger. Diese Art von Drastik ist ihm heute fremd. „Ich wollte | |
weiter.“ Er ging zu Mike Pattons Projekt Tomahawk. Erst 2003 gründete er, | |
ebenfalls in New York, Battles. Eine Band, die 2007 mit einem schrillen | |
Sound auffiel, voller Echo und Rückkopplung, und einem Sänger, der wie irre | |
tanzte. Wenn Stanier an den Abgang von Bandkollege Tyondai Braxton denkt, | |
packt ihn heute noch Wut. Der Sänger habe sich einfach geweigert, auf Tour | |
zu gehen – und außerdem, schlimmer, habe er „als Stimme immer mehr im | |
Zentrum stehen wollen“, so wie Mainstream-Bands es machen. Im gleichsam | |
kommunistischen Soundgewitter der Battles soll die Stimme nur ein | |
Instrument unter vielen sein. | |
## Liebe zum Techno | |
Staniers Umzug nach Deutschland – erst Köln, dann Berlin – hatte durchaus | |
mit dem Berghain zu tun („und wie ich da hingehe – na klar“) und mit der | |
Liebe zum Techno. Ohne das gerade, treibende Rhythmusgefühl des digitalen | |
Dancefloors wären Battles undenkbar. Auch sie machen eine von der Maschine | |
dominierte Musik, allerdings expliziter. Wie ein Fetisch (und dem | |
Monolithen aus Kubricks „2001“ nicht unähnlich) steht in der Mitte ihrer | |
Bühne eine Wand aus Amps und Geräten, vor allem Loop-Maschinen. Dort | |
speisen Bassist Dave Konopka und Gitarrist/Keyboarder Ian Williams kleine | |
Muster ein, die Keimzellen dieser strikt modularen Musik. Kaum Melodien und | |
keine Strophe-Refrain-Strukturen leiten durch den Sound, bei bestimmten | |
Veränderungen der Patterns ändern alle ihr Spiel und treiben den Song so | |
voran. John Stanier trommelt fast maschinell. | |
Musik kann nur vorwärtsgerichtet sein, wenn sie sich nicht um Gesetze des | |
Marktes schert. So wie „La Di Da Di“. Da ist einerseits die radikale | |
Organisationsform. Wie um die Strenge zu konterkarieren, paart sie sich | |
mit Klangeffekten wie Laser-Blubbern. Die Band war auf Tour um die ganze | |
Welt, der US-Rolling Stone nennt sie „Futuristen“. Dabei wollen sie nur | |
eine Art Happening sein: „Bei uns hört man, wie Musik aus dem Nichts | |
entsteht. Das ist für uns so überraschend wie für die Hörer. Hoffentlich.“ | |
Thomas Lindemann | |
Live: 31. Oktober, Zoom, Frankfurt; 4. November, Berghain, Berlin | |
16 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Thomas Lindemann | |
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