# taz.de -- Ein halbes Jahrzehnt auf eigene Rechnung | |
> Reformen Seit fünf Jahren ist ein privatwirtschaftlicher Sektor | |
> zugelassen. Die Qualifikation ist niedrig, der Verdienst relativ hoch | |
Von Eileen Sosin Martínez | |
Man muss nur hinsehen. Nichts zieht so sehr die Aufmerksamkeit der | |
Touristen und der Ausgewanderten auf sich, wenn sie zum Familienbesuch auf | |
die Insel zurückkehren. Die privaten Bars und Restaurants verändern das | |
Antlitz der wichtigsten Städte Kubas. Sie bringen Lichter, Farben, Bewegung | |
– und Kapital. | |
Als die kubanische Regierung 2010 eine Wiedereröffnung der kleinen | |
Geschäfte beschloss, ging es darum, jene halbe Million Menschen zu | |
absorbieren, die der Staatssektor nicht mehr brauchte. Fünf Jahre später | |
sind die sogenannten Cuentapropistas“ – abgeleitet von a cuenta propia, auf | |
eigene Rechnung – recht stabile Akteure in Kubas Wirtschaftspoker. Trotzdem | |
erscheint es manchmal, als spielten sie mit einen paar Karten weniger und | |
einer Hand auf dem Rücken gefesselt. | |
Am schwierigsten ist der Zugang zu Material. Mit Ausnahme von | |
Agrarprodukten gibt es keinen Großmarkt für Kleinunternehmer. Die Folgen | |
sind offensichtlich: hohe Preise, Unterversorgung der Geschäfte und Zunahme | |
des Schwarzmarktes. Obwohl die Behörden das Problem erkannt haben, sehen | |
sie die Lösung erst mittel- oder langfristig, denn ein Großhandel bräuchte | |
zunächst eine entwickelte nationale Industrie und Landwirtschaft – und | |
Devisen, um mehr einführen zu können. | |
Laut Angaben des Arbeits- und Sozialministeriums sind 504.613 Personen im | |
neuen Privatsektor beschäftigt, das sind 27 Prozent der arbeitenden | |
Bevölkerung. Die Tätigkeitsfelder mit den meisten Beschäftigten sind | |
Zubereitung und Verkauf von Speisen, Transportwesen, Vermietung von | |
Häusern, Wohnungen und Zimmern sowie Telekommunikation. Mit Ausnahme von | |
Lehrern, Informatikern, Buchhaltern und einigen wenigen anderen bleiben im | |
Prinzip all die Tausenden Kubaner mit Universitätsabschluss außen vor. | |
„Die Auswahl der Tätigkeiten, die für die Arbeit auf eigene Rechnung | |
freigegeben sind, passt nicht zum kubanischen Bildungsniveau. Die große | |
Mehrheit der freigegebenen Tätigkeiten kann man als gering qualifiziert | |
beschreiben“, erklärt Professor Ricardo Torres vom Centro de Estudios de | |
Economía Cubana. Wie vorher schon mit dem Tourismus und den ausländischen | |
Unternehmen auf der Insel findet auch jetzt eine Auswanderung der | |
Akademiker in minder qualifizierte Tätigkeiten statt, vor allem aufgrund | |
der besseren Bezahlung. Laut Statistikamt lag das durchschnittliche | |
staatliche Gehalt 2014 bei 584 Pesos im Monat, das sind rund 24 US-Dollar, | |
während im Privatsektor durchschnittlich rund 1.500 Pesos verdient wurden. | |
Aber es gibt natürlich auch positive Entwicklungen. Kubas touristische | |
Infrastruktur ist nicht auf die vielen US-Touristen ausgerichtet, die alle | |
bald erwarten. Die 18.000 Häuser, in denen Privatunterkünfte angeboten | |
werden, und die 1.500 privaten Restaurants schaffen hier Abhilfe. | |
Vielleicht ist eine der wichtigsten Lehren, die man bislang aus der | |
Entwicklung der Kleinunternehmen in Kuba ziehen kann, dass die Kubaner | |
durchaus ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung in die Hand nehmen können. | |
Auf eigene Rechnung, aber für alle. | |
Eileen Sosin Martínez,26, schreibt für das niederländische Magazin El | |
Toque, außerdem arbeitet sie für Juventud Rebelde undProgreso Semanal. | |
14 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Eileen Sosin Martínez | |
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