# taz.de -- „Ein positiveres Bild Afrikas“ | |
> BINATIONAL Das Kinderbuch „Taiwo & Kende“ handelt von schwarzen | |
> Zwillingen aus Hamburg, die auf eine Traumreise gehen. Autorin Avocado | |
> Blues über Vorurteile und wirkliche Geschichten | |
Interview Caren Miesenberger | |
taz: Frau Blues, warum haben Sie „Taiwo & Kende“ geschrieben? | |
Avocado Blues: In meiner Kindheit hatte ich viele Bücher, mit denen ich | |
mich nicht identifizieren konnte. Als ich nach sieben Jahren in England | |
zurück nach Hamburg zog, fiel mir auf, dass Binationalität hier oft als | |
Problem gesehen wird. In London habe ich Leute aus vielen Teilen der Welt | |
kennengelernt und gemerkt, dass dies überhaupt keine Rolle spielt, um | |
Menschen kennenzulernen. Hier ist das anders. Wörter wie „Mischlingskinder“ | |
sind in Deutschland stark belastet. Mit unserem Buch wollen die | |
Illustratorin Dobra Fietz-Bridges und ich aufzeigen, dass es eine | |
Bereicherung ist, wenn man mehrere Kulturen von zu Hause aus kennt. Wir | |
wollen auch, dass Kinder, die in Deutschland leben und nicht das Privileg | |
haben, viel zu reisen, keine Angst vor dem „Fremden“ haben. | |
„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ ist kritisiert worden, weil es | |
rassistische Sprache verwendet. Gibt es etwas, das Sie an deutschen | |
Kinderbüchern falsch finden? | |
Was unser Buch besonders macht, ist, dass die Identität nicht thematisiert | |
wird. Die Protagonisten sind einfach binational, aber das ist nicht der | |
Hauptaspekt ihres Charakters. Ihre Eltern zeigen, dass es zwei verschiedene | |
Meinungen geben kann und alles relativ ist. Das macht Kinder für die Welt | |
viel offener und hilft ihnen, sich selber besser zu definieren. Jim Knopf | |
ist ein tolles Buch, ein Klassiker. Aber es passt wahrscheinlich nicht für | |
die Kinder, die 2015 in Hamburg leben, so viele Kulturen um sich herum | |
haben und mit Dingen wie dem Internet oder Umweltproblemen konfrontiert | |
sind. Mit unserem Buch können sie vielleicht einen Weg finden, damit besser | |
umzugehen. | |
Viele der in Deutschland publizierten Kinderbücher mit interkulturellem | |
Anspruch sind Übersetzungen, also importiert. Gibt es auch hiesige | |
Kinderliteratur mit diesem Anspruch? | |
Kaum. Häufig verarbeiten Menschen mit Migrationshintergrund ihre eigenen | |
traumatischen Erfahrungen durch Bücher. Bei den Kinderbüchern gibt es jetzt | |
eine neue Welle, die das Thema Flucht behandelt: „Mustafa kommt in unsere | |
Klasse – wie kommt er an?“ So wird versucht, zu sensibilisieren. Ich bin 28 | |
Jahre alt und habe Geschwister, die Mitte 50 sind. Es wird vergessen, dass | |
es hier bereits Leute gibt, für die Interkulturalität eine Normalität ist. | |
Die werden gar nicht mitgedacht. Wir wollen positiv dafür sorgen, dass sich | |
das verändert. Afrika, Trauma, Probleme – dieser Kreis muss durchbrochen | |
werden mit wirklichen Geschichten, die wir auch hier in Hamburg erleben. Es | |
gibt so viele Leute mit binationalem Hintergrund, die denken, dass ihre | |
Geschichte nicht traumatisch genug ist, um erzählt zu werden. Wir müssen | |
nicht immer nur traurig sein. | |
Sie beschreiben die Bücherreihe, in der „Taiwo & Kende“ erscheint, als | |
panafrikanisch. Was bedeutet Panafrikanismus für Sie? | |
Uns geht es darum, afrikanische Kultur positiv darzustellen. Wir verbinden | |
in den Büchern einen afrikanischen Mythos mit unserer Heimat Hamburg. Die | |
Zwillinge spielen auf dem Spielplatz und finden dort einen Gegenstand, der | |
diesen Mythos repräsentiert und zum Thema der Geschichte wird. Dadurch, | |
dass die Eltern der Protagonisten gegensätzliche Ideen von dem Mythos haben | |
wird gezeigt, dass die Meinung, die wir hier im Fernsehen über Afrika | |
sehen, auch immer nur eine Meinung ist. Die Bücherreihe behandelt die vier | |
Elemente. Im ersten Buch wird Wasser besprochen und die Nachhaltigkeit des | |
Meeres thematisiert. Klar ist Panafrikanismus viel komplexer, aber für | |
Kinder wird es reduziert, damit sie das Interesse entwickeln, sich selber | |
ein positiveres Bild Afrikas anzueignen. | |
War es einfach, einen Verlag für das Buch zu finden? | |
Wir wollten das Buch gar nicht über den traditionellen Weg veröffentlichen. | |
Selfpublishing bietet mehr Gestaltungsfreiraum. Ein großer Punkt war auch, | |
dass der Verlag wahrscheinlich entschieden hätte, wer das Buch illustriert. | |
Ich bezweifle, dass so die Stimmigkeit, die Dobra Fietz-Bridges und ich als | |
Arbeitsteam haben, hätte erfasst werden können. | |
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit der Illustratorin gestaltet? | |
Was ich wunderschön an unserer Zusammenarbeit finde, ist, dass die | |
Illustratorin die beschriebene Lebensrealität selbst kennt. Sie ist | |
binationale Mutter, hat genau so wie ich im Ausland gelebt und in | |
Schottland Kunst studiert. Ich habe nicht viele Illustratoren | |
kennengelernt, die aus so einem Reichtum an Kulturen schöpfen können, so | |
viele Sprachen sprechen und auch ein Interesse an der Diaspora haben und | |
daran, diese positiv zu reflektieren, statt Kommerz aus dem Schmerz anderer | |
zu machen. | |
In der Reihe erscheinen noch drei weitere Bücher. Gibt es die schon? | |
Die sind bereits niedergeschrieben. Wir planen auch, die Bücher zu | |
übersetzen. Außerdem stehen wir mit einer Organisation in Brasilien in | |
Kontakt, da ein Teil des Buches dort stattfindet. Als ein Dankeschön sollen | |
zehn Prozent unserer Einnahmen an diese Organisation gespendet werden, weil | |
wir für dieses Buch viel von der Kultur geborgt haben. | |
26 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Caren Miesenberger | |
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