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# taz.de -- Der Alte Meister: Aus Menschen Objekte machen
Das Stillleben wirkt lieblos arrangiert. Eine Aneinanderreihung in Kaminrot
und Jeansblau. Verglichen mit den barocken Festtafeln aus der
Stillleben-Blütezeit herrscht visuelle Langweile. Und doch findet sich ein
Merkmal des 17. Jahrhunderts wieder. „Memento mori“ (lat. „Bedenke, dass …
sterblich bist“) schrien barocke Bilder ihren Zeitgenossen entgegen:
niederbrennende Kerzen, verderbende Früchte und welke Blumen. Auch Salvador
Dalí griff den Vergänglichkeitsgedanken mit seinen zerfließenden Uhren auf.
Nun sehen wir auch hier einen Strand. Allerdings keinen spanischen, sondern
einen marokkanischen, der an einen türkischen erinnern soll – nämlich jenen
Küstenabschnitt, an dem Alan Kurdi angespült wurde. Das dreijährige
syrische Flüchtlingskind war bei der Überfahrt zur griechischen Insel Kos
ertrunken. In Gedenken an seinen Tod legten sich marokkanische
AktivistInnen in den Sand. So ist dieses Stillleben kein stilles, sondern
ein lautes. „Wir sind hier, um zu sagen, dass das Mittelmeer ein Ort des
Teilens und des Austauschs bleiben soll, nicht eine Barriere für die Opfer
von Diktaturen, Bürgerkriegen und Terrorismus“, erklärte der Journalist
Rachid el-Belghiti die Aktion.
Klugscheißer mögen anmerken, dass Stillleben traditionell nur Objekte
zeigen. Aber ist es nicht genau das, was die EU-Asylpolitik macht:
Fliehende als zu verteilende Objekte anstatt als Menschen begreifen?
Vielleicht ist auch das vergänglich. Marco Wedig
11 Sep 2015
## AUTOREN
Marco Wedig
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