| # taz.de -- An Renitenz Weltniveau | |
| > Widerstandsgeist In der Rockgeschichte der DDR haben Renft einen | |
| > besonderen Platz: So gut war die Band, dass sie vor 40 Jahren von der | |
| > Staatsmacht einfach aufgelöst wurde | |
| Bild: Mit dem Blues an der DDR aufgerieben: Renft bei einem Konzert 1972 in Ber… | |
| von Thomas Winkler | |
| Der Leipziger Ableger des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik | |
| Deutschland widmet sich, so die Selbstdarstellung, der „Geschichte von | |
| Diktatur, Widerstand und Zivilcourage in der Sowjetischen Besatzungszone | |
| und in der DDR“. Auf den insgesamt 2.000 Quadratmetern der Dauerausstellung | |
| des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig sind ein sechssitziger Kinderwagen, | |
| der in staatlichen Krippen zum Einsatz kam, zu sehen, Abhörgerätschaften | |
| der Staatssicherheit, der Nachbau eines Zimmers im Notaufnahmelager | |
| Marienfelde – und auch der E-Bass von Klaus Renft. | |
| Renft, dieser Name hat dort, wo einmal die DDR war, immer noch einen | |
| besonderen Klang. Klaus Renft, der eigentlich Jentzsch hieß, war Bassist | |
| der Rockband, der er seinen Namen gab, ihr Leiter und ihre einzige | |
| Konstante. | |
| Er war dabei, als sie 1958 als Klaus Renft Combo in Leipzig gegründet | |
| wurde, als sie 1962 zum ersten Mal wegen „Verbreitung amerikanischer | |
| Unkultur“ mit einem Auftrittsverbot belegt und dann wieder erlaubt wurde. | |
| Er war dabei, als sie so ausdauernd noch die allerletzte | |
| Dorftanzveranstaltung unterhielt, bis sie sich schließlich eine die ganze | |
| DDR umspannende Fangemeinde erspielt hatte. Er war dabei, als sie sich nur | |
| noch schlicht Renft nannte, als sie ihre beiden einzigen Platten in der DDR | |
| veröffentlichte, sogar in sozialistischen Bruderstaaten auftreten durfte. | |
| Aber auch, als sie begann, zusehends die Wirklichkeit im | |
| Arbeiter-und-Bauern-Staat abzubilden und dafür noch mehr Zuspruch bekam und | |
| immer mehr Probleme mit den Behörden. Er war dabei, als der Rat des | |
| Bezirkes Leipzig am 22. September 1975 per Schreiben „die | |
| Tanzmusikformation Klaus-Renft-Combo als aufgelöst“ erklärte. | |
| ## Auf schmalem Weg | |
| Nun, da sich die vermutlich weltweit einzigartige, staatlich verordnete | |
| Auflösung einer Rockband zum 40. Mal jährt, kann man noch einmal eintauchen | |
| in die wechselvolle Geschichte der Band, die sich wie keine andere an der | |
| DDR gerieben hat und dafür bis heute nahezu abgöttisch verehrt wird. Das | |
| sich traditionell um die Aufarbeitung der DDR-Popkultur bemühende Label | |
| Buschfunk hat eine CD-Box herausgebracht, in der das – vor allem angesichts | |
| ihrer Bedeutung – nicht eben üppige Gesamtwerk der Band versammelt ist. Als | |
| Dreingabe gibt es eine DVD mit Fernsehdokumenten von Renft. In einem | |
| Beitrag erläutern die Fans, was Renft einmalig macht: „Die sprechen so wie | |
| wir“, sagt eine junge Frau. In einem anderen Film muss sich die Band selbst | |
| erklären: „Wir machen keine Schlagermusik, wir machen keine Singebewegung“, | |
| sagt Klaus Renft. Und: „Es ist ein sehr schmaler Weg, den wir gehen.“ | |
| Wie schmal dieser Weg immer war, wird anschaulich, wenn man die Tagebücher | |
| des Bandgründers liest, die unter dem Titel „Die Bewaffnung der Nachtigall“ | |
| nun erschienen sind. Renft schrieb keine Musik, auch keine Texte für seine | |
| Combo, das übernahmen Kurt Demmler, der später für die Hälfte aller | |
| DDR-Rockbands textete, Gitarrist und Sänger Peter „Cäsar“ Gläser, | |
| Keyboarder Christian „Kuno“ Kunert, Multiinstrumentalist Peter „Pijotr“ | |
| Kschentz oder Sänger Thomas „Monster“ Schoppe. Notorisch wurden die | |
| Auseinandersetzungen mit der Zensur, als der beständig am Rande des | |
| Auftrittsverbots entlang schrammende, regimekritische Liedermacher Gerulf | |
| Pannach Mitglied der Band wurde. | |
| Als Bassist hielt Klaus Renft nicht nur den Sound zusammen, als Organisator | |
| und guter Geist musste er zudem zwischen den vielen starken Charakteren der | |
| immer wieder wechselnden Besetzungen moderieren. Wie anstrengend das war, | |
| mitunter ebenso aufreibend wie die ständigen Auseinandersetzungen mit den | |
| Staatsorganen, das kann man nachlesen in seinen Tagebüchern. | |
| Dort wird allerdings nur bedingt lebendig, wie ein paar Musiker, die doch | |
| nur einfach Bluesrock spielen wollten und nicht eben blind durch ihre | |
| Wirklichkeit spazierten, zu kultisch verehrten Volkstribunen werden | |
| konnten. Tatsächlich konnte in der kleinen, engen, reglementierten DDR eine | |
| Rockband eine ganz andere Sprengkraft entwickeln als im Westen. Das gelang | |
| Renft vor allem, weil die wechselnden Texter der Band eins gemeinsam | |
| hatten: Aus dem metaphorischen Umgang mit Sex, den sie aus den | |
| US-amerikanischen Blues-Originalen gelernt hatten, entwickelten sie jenes | |
| virtuose Schreiben zwischen den Zeilen, das zum festen Bestandteil der | |
| DDR-Rockmusik werden sollte. Renft stehen am Anfang der real existierenden | |
| Songlyrik, in der die Wirklichkeit nicht benannt, sondern in poetischen | |
| Bildern paraphrasiert wird. Wenn Schoppe in „Als ich ein Vogel war“ singt | |
| „Irgendwann will jedermann raus aus seiner Haut/ Irgendwann denkt er dran, | |
| wenn auch nicht laut“, dachte jeder zwischen Rostock und Zittau an die | |
| fehlende Reisefreiheit. | |
| ## Weg in den Westen | |
| Doch als vor allem Pannach immer konkreter wurde und etwa in der | |
| „Rockballade vom kleinen Otto“ vollkommen unverschlüsselt eine gescheiterte | |
| Republikflucht thematisierte, war es mit der Geduld der staatlichen Organe | |
| endgültig vorbei. Nach der Zwangsauflösung und gescheiterten Versuchen, | |
| diese wieder aufheben zu lassen, ging Klaus Renft im Mai 1976 in den | |
| Westen. Schoppe folgte ihm zwei Jahre später. Pannach und Kunert saßen | |
| neun Monate in Haft und wurden 1977 ausgebürgert. | |
| Gläser und Schlagzeuger Jochen Hohl gründeten Karussell, die als | |
| Nachfolgeband von Renft einen Teil von deren Repertoire und Fanbasis | |
| übernahmen, aber auch deren Probleme erbten. Gläser stieg 1983 bei | |
| Karussell aus, blieb aber aktiv, bis auch er ein halbes Jahr vor dem | |
| Mauerfall ausgebürgert wurde. | |
| Irgendwann lebten nahezu alle wichtigen Bandmitglieder im eingemauerten | |
| Westberlin, wie so viele gewesenen DDR-Bürger hatte es sie in die Nähe der | |
| alten Heimat gezogen. Zusammen fand die Band trotzdem erst 1990 wieder, | |
| zerfiel aber schnell erneut an denselben internen Reibereien, die sie schon | |
| in der DDR plagten. Es folgten unappetitliche Streitereien um die | |
| Namensrechte, aber auch immer wieder neue Versuche, in wechselnden | |
| Besetzungen an alte Zeiten anzuknüpfen. 1998 starb Pannach, 2005 Kschentz, | |
| ein Jahr später Klaus Renft und 2008 auch Gläser. Mittlerweile ist Schoppe | |
| mit neuen Musikern unter dem Namen Renft unterwegs. | |
| Eine große, gemeinsame Tournee mit Ton Steine Scherben musste vor wenigen | |
| Wochen aber abgesagt werden. Zu wenige Menschen wollten die alt gewordenen | |
| Reste der beiden Bands sehen, die in den beiden Teilen des geteilten | |
| Deutschlands eine jeweils originäre, aber doch vergleichbare Rolle gespielt | |
| hatten. Aber dass ausgerechnet seine Combo nicht von der allgemein | |
| grassierenden Ostalgie profitiert, das hätte Klaus Renft vermutlich gut | |
| gefallen. | |
| 19 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Winkler | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |