# taz.de -- Hertha besser als Chelsea | |
> FUSSBALL II Hertha startet mit Trainer Pál Dárdai gut in die | |
> Bundesligasaison. Doch der glückliche 2:1-Sieg gegen den VfB Stuttgart | |
> offenbart auch viele Schwächen der Berliner | |
Bild: Diesmal war Hertha schneller. Plattenhardt klärt vor Harnik | |
von Torsten Landsberg | |
Anhänger von Hertha BSC können unbeschwert sein wie seit Langem nicht: Mit | |
sieben Punkten nach vier Spielen ist der Saisonstart gelungen, die | |
Mannschaft belegt einen guten Tabellenplatz, hat jetzt schon sechs Punkte | |
Vorsprung auf den Relegationsplatz 16. Das ist wichtig zu erwähnen, weil | |
Hertha ebendort vergangene Saison nur dank des Torverhältnisses nicht | |
gelandet war und viele Beobachter den Verein vor der neuen Saison wieder im | |
Abstiegskampf verortet hatten. | |
Grund zur Freude lässt sich derzeit fast unbegrenzt kreieren: Hertha ist | |
besser als der englische Meister Chelsea (4 Punkte aus 5 Spielen) und der | |
italienische Juventus Turin (1 Punkt aus 3 Spielen). Was das hier zu suchen | |
hat? Es gibt Wahrheiten, die beeindruckend klingen können, aber mit der | |
Realität nur wenig zu tun haben. Die sieht nämlich so aus: Hertha BSC hat | |
am Samstag vor 45.994 Zuschauern, darunter 1.000 Flüchtlingen, gegen den | |
VfB Stuttgart mit sehr viel Glück 2:1 gewonnen – und offenbart, dass noch | |
eine Menge Arbeit vor Trainer Pál Dárdai liegt. Der wollte seinem Team | |
eigentlich neues Selbstvertrauen und einen angriffslustigen Spielstil | |
beibringen. | |
Dárdai, der für gewöhnlich in ulkigen Spielanalysen auf Metaphern wie | |
Gulasch und Männersiege zurückgreift, wusste den Sieg diesmal richtig | |
einzuordnen. „Das war Hertha aus dem vergangenen Jahr“, mahnte er und | |
meinte damit, dass sich seine Mannschaft von Stuttgart trotz guten Beginns | |
und früher Führung die Butter vom Brot nehmen ließ. Nach einer halben | |
Stunde hätte es statt 1:0 schon 1:3 stehen können, immer wieder gingen | |
Stuttgarts Angreifer durch Herthas Abwehr wie die Zähne durch weiches | |
Gulasch. | |
Das lag auch an taktischen Abstimmungsproblemen. Der als Rechtsverteidiger | |
eingesetzte Neuzugang Mitchell Weiser ging oft mit nach vorne (und | |
bereitete Herthas Führung durch Genki Haraguchi vor), aber keiner seiner | |
Mitspieler fühlte sich berufen, seine Position defensiv abzusichern. Immer | |
wieder kamen die Stuttgarter mühelos über ihre linke Angriffsseite. Hertha | |
ließ sich zurückdrängen, statt eines geordneten Aufbauspiels droschen die | |
Spieler den Ball nach vorne, als steckten sie immer noch im Abstiegskampf | |
des März 2015. | |
Zu Hertha aus vergangenem Jahr gehört auch, dass Champions-League-Sieger | |
und Afrikameister Salomon Kalou keine Bindung zur Mannschaft findet. | |
Herthas System lässt seine Fähigkeiten (abgezockt im Strafraum) nicht zur | |
Geltung kommen, offenbart aber schmerzhaft seine überwiegenden | |
Unzulänglichkeiten: Kalou ist langsam, antrittsschwach und behauptet im | |
Zweikampf kaum einen Ball. Seiner Leistungen scheint sich der Stürmer | |
bewusst zu sein, er wirkt auch im Kopf blockiert, was ihn seiner einzigen | |
Stärke (abgezockt im Strafraum) beraubt. Im nächsten Spiel gegen Wolfsburg | |
wird ihn Neuzugang Vedad Ibisevic wohl auf die Bank verdrängen. | |
Ach, jetzt hat der Text seinen Faden ebenso verloren wie Hertha im Spiel. | |
Es ging ja um Grund zur Freude. | |
Bis zum Ausgleich der Gäste in der 36. Minute war kaum einem Fußballfan | |
bewusst, wie frei ein Spieler im Strafraum des Gegners zum Kopfball kommen | |
kann. Doch kurz vor dem Halbzeitpfiff erzielte Herthas Kapitän Fabian | |
Lustenberger, der den Fehler zum Ausgleich verursacht hatte, das Siegtor | |
mit einem Traumschuss aus 20 Metern. Dass ein Innenverteidiger das Spiel | |
entscheidet, sagt natürlich auch etwas aus über die Gefahr, die vom | |
Angriff ausgeht. | |
Aber nein, das führt jetzt wieder in die falsche Richtung. | |
14 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Torsten Landsberg | |
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