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# taz.de -- Hier ist kein Platz für Flüchtlinge
> AUTONOME AktivistInnen vom „Bündnis für bedingungsloses Bleiberecht“
> besetzen ein leer stehendes ehemaliges Uni-Gebäude. Sie wollen ein
> selbstverwaltetes „Soziales Zentrum für alle“ plus Notunterkunft für
> Flüchtlinge gründen. Der Besitzer hat andere Pläne
Bild: Der Triumph währte nur kurz: Nach wenigen Stunden wurde geräumt
von Julian Rodemann
Die rote Flagge thront unübersehbar über dem Gebäude am Spreeufer. Einzelne
Graffiti säumen die orangefarbenen Kacheln an den Wänden. Neben der Flagge
auf dem Dach beugen sich zwei vermummte Gestalten über die Brüstung. Sie
lassen ein Transparent herab: „Flucht ist kein Verbrechen – Refugees
Welcome“ steht darauf.
Die beiden gehören zu einer Gruppe von linksradikalen AktivistInnen, die im
Namen des „Bündnisses für bedingungsloses Bleiberecht“ am Donnerstagmorgen
gegen sieben Uhr ein ehemaliges Gebäude der Technischen Universität in
Charlottenburg besetzt haben. Sie erklären, hier ein selbstverwaltetes
„Soziales Zentrum für alle“ einrichten zu wollen, inklusive einer
Notunterkunft für 50 Flüchtlinge, und kritisieren in ihrer Erklärung die
„unhaltbaren Zustände am Lageso“, aber auch die bundesdeutsche Asylpolitik.
„Es kann nicht sein, dass Menschen im Freien schlafen müssen, wenn Häuser
in derselben Stadt leer stehen“, sagt der Bündnis-Sprecher Marcus Staiger
auf einer kleinen Kundgebung vor dem Gebäude. Wie viele Menschen an der
Besetzung beteiligt sind, bleibt unklar – die AktivistInnen sprechen von
etwa 40 BesetzerInnen, die Polizei hingegen nur von 9 bis 10 Aktivisten.
Das Gebäude in der Englischen Straße ist seit 2007 ungenutzt. Damals hatte
die TU das Haus an einen Investor verkauft, mittlerweile gehört es der
irischen Immobilienfirma Cannon Kirk. Mehrfach versuchen die Aktivisten,
die Firma zu erreichen, um mit ihr über die Nutzung zu verhandeln. Erst
gegen Mittag bekommen sie eine irische Sekretärin ans Telefon, doch die
habe sie nur hingehalten, erklärt ein Aktivist.
Die Polizei hat mehr Erfolg. „Wir haben Kontakt mit dem Eigentümer“, sagt
Polizeisprecher Klaus Reichert um zwölf Uhr. Doch die Firma wolle nicht mit
den Besetzern sprechen, heißt es. Stattdessen wedeln die Beamten bald mit
einem Blatt Papier durch die Luft – eine Strafanzeige wegen
Hausfriedensbruchs. Alle vor Ort wissen, was das bedeutet: Die Räumung
steht kurz bevor. „Statt Polizisten mit Helmen brauchen wir Heime mit
Betten“, skandieren die Demonstranten. Etwa 50 Beamte schirmen seit den
Morgenstunden das Gelände ab.
Marcel Göbel ist einer der Demonstranten vor der Unterkunft. Seit fünf
Wochen packe er vor dem Lageso mit an, erzählt er, kümmere sich um die
wartenden Flüchtlinge. Die Politik versage dabei, den Flüchtlingen zu
helfen: „Immer noch müssen Menschen am Lageso draußen schlafen“, sagt
Göbel.
## Der Abriss steht fest
Um 13.30 Uhr trifft Jens Gallinge ein. Er ist der Hauswart des Gebäudes und
vertritt die Eigentümer. Gallinge überbringt den AktivistInnen schlechte
Nachrichten: „Seit eineinhalb Jahren steht fest, dass das Haus nächsten
Monat abgerissen wird.“ Außerdem gebe es keine Heizung mehr. Staiger von
der Demo versucht mit Gallinge zu verhandeln. „Man könnte doch eine
vorübergehende Notunterkunft einrichten – nur für den Winter.“ Doch der
Hauswart bleibt hart. Das Haus werde abgerissen, da sei nichts zu machen.
Um 14 Uhr erklärt die Polizei: Wenn das Haus in fünf Minuten nicht leer
sei, werde es geräumt. Staiger informiert die AktivistInnen auf dem Dach
per Lautsprecher. „Wir werden keinen Widerstand leisten“, ruft einer von
ihnen zurück. Kurz darauf tragen die Polizisten fünf Männer und eine Frau
aus dem Haus, sie werden zur Personalienfeststellung mitgenommen. Auf dem
Dach sind Helme von Polizisten zu erkennen. Sie hängen die Transparente ab.
Auch die rote Flagge nehmen sie mit. Am Abend sollte anlässlich der
Besetzung eine Demonstration stattfinden – vorbei am Lageso.
11 Sep 2015
## AUTOREN
Julian Rodemann
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