# taz.de -- Wendeverlierer müssen draußen bleiben | |
> Ostalgie Im DHM schwelgen vier Kulturschaffende in Erinnerungen an das | |
> Berlin der 90er Jahre | |
„Platz“ – Dimitri Hegemann macht eine Pause. „Westberlin bot vor der We… | |
alles, nur keinen Platz.“ Hegemann gründete 1991 den Techno-Club „Tresor“ | |
in der Leipziger Straße. Nach der Wende war der Berliner Osten für ihn | |
dieser Raum, nach dem der Westteil der Stadt gelechzt hatte. | |
Hegemann nimmt seine Brille ab, schaut lächelnd in die Runde. Neben ihm | |
sitzen die Journalistin Barbara Bollwahn, der Verleger Christoph Links und | |
der Leiter des Künstlerhauses Bethanien, Christoph Tannert. Alle haben sie | |
die Wende als Umbruch erlebt, der eine vitale Nachtclubszene, neue Galerien | |
und Verlage hervorbrachte. | |
Eingeladen zu der Podiumsdiskussion am Montagabend im Deutschen | |
Historischen Museum (DHM) hat Doris Müller-Toovey, Kuratorin der | |
Ausstellung „Alltag Einheit – Porträt einer Übergangsgesellschaft“, die | |
noch bis Ende des Jahres zu sehen ist. | |
Müller-Toovey möchte mit ihren Gästen diskutieren. Doch eine echte Debatte | |
erleben die gerade mal 20 Zuhörer nicht. Die vier Gäste – außer Hegemann | |
alles Ossis – sind sich schnell einig darin, dass die deutsche Einheit in | |
erster Linie eine große Chance war. Dass es, hüben wie drüben, auch | |
kulturelle Verlierer der Wende gab, fällt dabei unter den Tisch. Die Gäste | |
haben selbst alle profitiert. So wird aus der Veranstaltung ein | |
Kaminzimmergespräch über Anekdoten aus der Zeit nach dem Mauerfall. | |
Christoph Links etwa gründete im Dezember 1989 den Ch. Links Verlag. Dafür | |
lieh er sich Anleitungen zur Eintragung einer GmbH in der Stadtbibliothek | |
aus. Man habe eben improvisieren müssen. Links spürt „die Aufbruchstimmung | |
von damals noch heute“. Von Moderatorin Müller-Toovey gefragt, was von der | |
Zeit damals geblieben ist, sagt der 60-Jährige: „Der Impuls, mit dem Verlag | |
neue Diskurse anzustoßen, ist unverändert da.“ | |
Diskurse – wer sich die von der Podiumsdiskussion am Montagabend erhofft | |
hatte, wird weitgehend enttäuscht. Dafür stochern die Gäste zu sehr im | |
Konsensbrei. | |
Doch Halt, plötzlich regt sich so etwas wie Widerspruch: Barbara Bollwahn | |
teilt Links’ Meinung zur heutigen Situation nicht. „Ich finde, die Euphorie | |
ist abgeflacht“, sagt sie. Na also, zwei Meinungen. Geht doch. | |
Julian Rodemann | |
9 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Julian Rodemann | |
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