# taz.de -- Stressfaktor Umweltzerstörung | |
> Dialog Fabriken oder Kraftwerke sind oft ein Anlass für Streit, besonders | |
> wenn sie auch noch in den Alltagvon Anwohnern eingreifen. | |
> Umweltmediatoren können Zoff verhindern und Kompromisse herbeiführen | |
Von Robin Grützmacher | |
Als neuen Nachbarn eine Fabrik oder ein Pumpspeicherwerk statt Wald und | |
Wiesen vor der Tür: Gehen Behörden oder Investoren der Umwelt an den Kragen | |
und das auch noch zu Lasten von Anwohnern, ist Stress garantiert. Dann | |
werden Anwälte beauftragt, Umweltverbänden als Unterstützer akquiriert, | |
dann gründen ganze Nachbarschaften Initiativen – damit sie das Projekt | |
verhindern können. Um solche Konflikte zu lösen, kann man aber auch einfach | |
miteinander reden. Am besten im Voraus. Damit ist jetzt kein Gespräch | |
zwischen zwei Kontrahenten gemeint, sondern ein Dialog mit einem neutralen | |
Kommunikationsprofi, der alle Parteien zu einem Kompromiss leitet: Einem | |
Umweltmediator. | |
Mediatoren folgen keinem festen Verfahren zu einer Konfliktlösung. Es gibt | |
Empfehlungen und Leitfäden, aber an die muss man sich nicht halten. „Ich | |
halte wenig davon, nach Schema F vorzugehen, weil Akteure und | |
Konstellationen immer verschieden sind“, sagt der Hamburger Mediator Markus | |
Birzer. Eine Firma hatte ihn um Hilfe gebeten, weil sie bei der ersten | |
Infoveranstaltung zum Bau eines Pumpwerkes vom starken Widerstand der | |
Anwohner überrascht war, nicht damit umzugehen wusste. Birzer kontaktierte | |
alle Akteure und ermittelte die genauen Konfliktlinien. Um beide Parteien | |
zu verstehen, führte er zahlreiche Interviews und organisierte | |
Diskussions-Veranstaltungen, bei denen sich Bürger und Firma unter seiner | |
Moderation austauschten. | |
Die Einsetzung eines Mediators ist freiwillig und rechtlich nicht bindend. | |
Erzielte Kompromisse können nicht eingeklagt werden. Die endgültigen | |
Entscheidungskompetenzen bei Bauprojekten haben die Behörden oder Gerichte. | |
Mediatoren sind keine Schlichter oder Schiedsrichter. Sie sind | |
hauptsächlich für den Dialog der Beteiligten verantwortlich und werden | |
idealerweise schon eingesetzt, bevor überhaupt ein Konflikt entsteht. | |
„Einer der Gründe Umweltmediation zu machen ist, dass viel schneller eine | |
Lösung gefunden wird, als wenn man sich streitet“, sagt Klaus-Olaf Zehle. | |
Er besitzt in Hamburg eine Mediationszentrale und ist Lehrbeauftragter für | |
Mediation an der International School of Management. | |
## Hauptsache neutral | |
Das wichtigste Gut eines Umweltmediators sind Unabhängigkeit und | |
Neutralität. Das schafft die nötige Akzeptanz. „Ich werde meist vom Staat | |
oder Investoren bezahlt. Bürgerinitiativen oder Einzelpersonen fehlt oft | |
das Geld“, sagt Birzer. Deswegen ist es wichtig, dass ein Mediator von | |
Beginn an von den Beteiligten akzeptiert wird und alle von seiner | |
Neutralität überzeugt sind. „Sonst heißt es im Nachhinein, ich wäre | |
gekauft“. | |
In Österreich ist Umweltmediation als Konfliktlösung oder Prävention weit | |
verbreitet. Eine dortige Studie ergab, dass die Akzeptanz der | |
Umweltmediatoren bei den beteiligten Akteuren höher ist, als die von | |
Kommunikationsberatern und Umweltanwälten. | |
Im Pumpwerk-Konflikt von Markus Birzer wollte die Firma zwei Wasserbecken | |
bauen und 1,4 Kilometer Leitungen durch den Wald legen. Eine | |
existenzbedrohende und landschaftliche Katastrophe, sagten Hoteliers und | |
Anwohner. Notwendig für die Energiewende, fanden Investor und Befürworter. | |
Nachdem Birzer mit allen Parteien im Dialog war und erste Veranstaltungen | |
organisiert hatte, machte die Politik ein Ratsbegehren, bei dem mit großer | |
Mehrheit gegen das Speicherwerk entschieden wurde. „Damit ist das Thema | |
jetzt wohl durch“, glaubt er. | |
Firmen oder Investoren erhoffen sich durch den Einsatz von Umweltmediatoren | |
schnelle Lösungen, die ihnen langwierige gerichtliche Prozesse ersparen. | |
„Umweltverbände hingegen sichern sich während der Mediation immer wieder | |
bei ihren Mitgliedern ab. Sie legen viel Wert auf Diskussion und | |
Basisdemokratie“, sagt Zehle. | |
Zehle hat zwei Umweltmediationen abgeschlossen. Beide sind streng | |
vertraulich. Ein Teil der Akteure will keine Öffentlichkeit. Ein Vorteil | |
von Mediationen, denn Gerichtsprozesse sind öffentlich. Zehle versucht vor | |
allem Verständnis für die jeweils andere Seite herzustellen und bringt | |
eigene Lösungsvorschläge mit ein. Das tun nicht alle Mediatoren. „Manche | |
sagen, das würden sie im Leben nicht machen und moderieren nur“, sagt | |
Zehle. Er würde für seine Arbeitsweise aber viel Zuspruch kriegen. | |
## Klage gegen eigene Firma | |
In einem seiner Fälle hatten sich drei Brüder, die Gesellschafter eines | |
großen Familienunternehmens waren, zerstritten. Zwei waren tätige | |
Gesellschafter, der dritte untätig, dazu führendes Mitglied einer | |
Umweltinitiative. Ihm passten die Emissionsschutzverordnungen seiner Firma | |
nicht, weswegen er klagte. Geld aus dem Betrieb hatte er zuvor an die | |
Umweltinitiative gespendet, damit die Klage gegen seine eigene Firma | |
finanziert. „Irgendwann bekam er dann doch ein schlechtes Gewissen“, sagt | |
Zehle. Der Gesellschafter beauftragte den Mediator. Zehle konnte die Brüder | |
aus dem Prozess rausholen. „Hätte man länger zusammengearbeitet, hätte man | |
noch mehr erreichen können“, sagt er. „Aber das sind große | |
Familienunternehmen, die wollten den Sack dann zumachen und die | |
Vertraulichkeit bewahren.“ | |
Im anderen Fall wollte ein Industriebetrieb eine Fabrik bauen, die | |
schlechte Gerüche verursacht. Der Nachbar schaltete Zehle ein. In der | |
Mediation ging es um die Entfernung der Fabrik vom Wohnhaus. Ein | |
Umweltverein hatte zudem Angst, dass Tiere vertrieben würden. Das glaubt | |
Zehle nicht ganz: „Da stehen öfter auch andere Interessen dahinter. | |
Manchmal will man einfach nur nicht, dass eine bestimmte Firma dort baut.“ | |
29 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Robin Grützmacher | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |