| # taz.de -- Schmuck und Kaffee aus dem Container | |
| > Transport Der Westhafen hat sich zum führenden Standort für den | |
| > Güterumschlag in Berlin und auch den neuen Bundesländern entwickelt. Mehr | |
| > als 3,8 Millionen Tonnen werden jährlich umgeschlagen. Ein morgendlicher | |
| > Blick auf den Hafen mitten in der Stadt | |
| Bild: Das Areal ist riesig: der Westhafen | |
| Von Franziska Maria Schade | |
| Der rostige Kahn gleitet langsam auf den Westhafen zu, geschoben von einem | |
| kleinen Schlepper. Die Last, 900 Tonnen Kies, drückt ihn tief in den Kanal, | |
| sodass das Wasser fast über die Außenwand schwappt. Er hat noch nicht | |
| einmal richtig am Ufer angelegt, da graben sich die Schaufeln des Krans an | |
| Land schon in die mannshohen Kiesberge hinein. Sie schwingen die Last vier | |
| Meter über dem Boden in einen Trichter. Das Abladen wird dauern – „Wir | |
| brauchen dafür ungefähr vier Stunden“, sagt Marcel John, ein tätowierter, | |
| muskulöser Hafenarbeiter mit Dreitagebart und orangefarbener | |
| Arbeitskleidung. | |
| Es ist acht Uhr an diesem nebligen, kühlen Augustmorgen. Die Mitarbeiter | |
| nehmen seit 3 Uhr Güter an, laden sie um und schicken sie weiter. Einige | |
| Rohstoffe werden vor Ort gelagert oder weiterverarbeitet und später weiter | |
| versandt. | |
| ## Fünftgrößter Binnenhafen | |
| Der Westhafen wird von der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft, kurz | |
| Behala, verwaltet und betrieben. 91 gewerbliche und kaufmännische | |
| Mitarbeiter sorgen hier für einen geregelten Ablauf. Besonders erfolgreich | |
| ist der Betrieb im Umschlag von Containern sowie Schwer- und Massengut. | |
| Mehr als 3,8 Millionen Tonnen werden jährlich umgeschlagen. | |
| Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Oliver | |
| Friederici an den Senat hervor. „Die Behala macht etwa 18 Millionen Euro | |
| Umsatz im Jahr“, erklärt Michael Reimann, der bei der Behala im Vertrieb | |
| tätig ist. Der Westhafen sei der fünftgrößte Binnenhafen Deutschlands, sagt | |
| Reimann. | |
| Laut Senat hat er sich in den vergangenen Jahren zum marktführenden Hafen | |
| Berlins und der neuen Bundesländer entwickelt, was unter anderem auch mit | |
| der Kooperation mit dem Bezirk Mitte zusammenhänge. Über ihn konnte die | |
| Behala zwischen 2009 und 2013 Fördermittel vom Bund beantragen, die für den | |
| Ausbau der Infrastruktur genutzt wurden. Die Hafenstraßen wurden für den | |
| Schwerverkehr ausgebaut, die 2002 gebaute Containeranlage bekam eine zweite | |
| Kranbrücke, die Gleisanlagen wurden erneuert. | |
| ## Breite Straßen | |
| Das Areal ist riesig. Hier von Station zu Station zu laufen würde die | |
| Mitarbeiter viel zu viel Zeit kosten. Michael Reimann zeigt auf einen | |
| Caddy, der neben dem Verwaltungsgebäude parkt. „Davon gibt es mehrere für | |
| die Hafenarbeiter auf dem Gelände, statt Fahrrädern“, erklärt Michael | |
| Reimann grinsend. Die Straßen sind breit, bunte Schilder weisen den Weg – | |
| links zum Containerterminal, rechts zur Altglas-Sammelstelle von Berlin | |
| Recycling. Die denkmalgeschützten Bauten – dunkelrote Fassade aus | |
| Backstein, Verzierungen aus Muschelkalk in Beige – wirken wie eingequetscht | |
| zwischen grauen Lagerhallen und Silos. Der Geruch von Holz und Benzin hängt | |
| über dem Gelände. Rohkaffee, Kies, Benzin und Schrott kommen heute an. Die | |
| verstärkte Stimme des Kranführers hallt über das gesamte Gelände, als er | |
| mit dem Lkw-Fahrer spricht. | |
| ## Die gute Lage wird genutzt | |
| Die gute Lage des Standortes mitten in Berlin, habe man erst nach dem | |
| Ausbau richtig nutzen können, sagt Michael Reimann. Das zeigt sich zum | |
| Beispiel in einer Kooperation mit der DHL für die Lieferung der Waren an | |
| die Karstadt-Kaufhäuser in Berlin. Kleidung, Schmuck, und Haushaltsgeräte | |
| werden für jede Filiale in einen Container gepackt, aus Unna bei Dortmund | |
| nach Berlin geschickt und anschließend vom Westhafen mit dem Laster zum | |
| Beispiel zum Ku’damm gebracht. Die Erreichbarkeit mit Schiff, Bahn und Lkw | |
| – die sogenannte Trimodalität – könne seit der Umstrukturierung effektiver | |
| genutzt werden, sagt Reimann. Im Klartext: Es können mehr Waren | |
| umgeschlagen werden. | |
| Dirk Dymke steht hinter dem Lkw und schaut auf den Rohkaffee, der aus dem | |
| gekippten Container erst in einen Trichter und dann in ein Loch im Boden | |
| fällt. Der Rohkaffee riecht nach einer Mischung aus Holz und Heu. Unter der | |
| Erde befindet sich ein Fließband, das den Kaffee in eines der 78 Silos | |
| befördert. Der 49-jährige Hafenarbeiter streicht durch den Kaffee, sammelt | |
| kleine Äste heraus. „Das hier ist ein Job zum Altwerden“, sagt er. „Es w… | |
| einfach nie langweilig, weil man jeden Tag etwas anderes macht.“ Die | |
| gewerblichen Mitarbeiter der Behala arbeiten in jedem der | |
| Transportbereiche. Heute sitzt Dymke auf dem Elektro-Lkw, morgen verlädt er | |
| vielleicht eine Gasturbine. „Mitarbeiter scheiden nur altersbedingt aus“, | |
| erklärt Reimann. | |
| ## Systemlösung für Siemens | |
| Die Lagerhausgesellschaft gehört zu 100 Prozent dem Land Berlin und muss | |
| jährlich einen Teil seines Gewinns an das Land abgeben. Das führt dazu, | |
| dass der Hafenbetreiber auch Immobilien und Liegeplätze vermietet, als | |
| zweites Standbein. Bei passenden Kunden kann man das Immobiliengeschäft | |
| sogar mit dem eigentlichen Hafenbetrieb verbinden: Wer eine Lagerhalle auf | |
| dem Westhafen-Gelände mietet, soll nach Möglichkeit auch den Umschlag von | |
| Gütern dazu buchen. | |
| Prominentes Beispiel: Siemens. 2007 baute die Behala eine spezielle | |
| Lagerhalle für die Gasturbinen des Konzerns, die in Kraftwerken weltweit | |
| zum Einsatz kommen. Im selben Jahr stellte Siemens eine neue Gasturbine | |
| vor, die mit 500 Tonnen weitaus schwerer ist als die Vorgängerversion mit | |
| 280 Tonnen. Damit wiegt sie zu viel, um mit dem Lkw über die Putlitz- oder | |
| die Beusselbrücke geliefert zu werden. Mit Mitarbeitern und Studenten des | |
| Instituts für Entwicklung und Betrieb maritimer Systeme an der Technischen | |
| Universität Berlin und der Technischen Hochschule Wildau, wurde von 2010 | |
| bis 2012 an einer neuen Möglichkeit gearbeitet. Die Lösung: ein | |
| Wassertransport mit dem eigens für diese Zwecke entwickelten Behala-Schiff | |
| „Ursus“, dem Bären. So fährt die Turbine 700 Meter bis zum Berlin-Spandau… | |
| Schifffahrtskanal an der Kaiserin-Augusta-Brücke und schwimmt dann zum | |
| Westhafen. „Hätte es keinen Weg gegeben, die Turbinen aus Berlin | |
| herauszubekommen, hätte Siemens den Standort vermutlich aufgegeben“, meint | |
| Michael Reimann. | |
| Nachdem der Kran den Kies aus dem Frachter geholt hat, wird Marcel John den | |
| Frachter per Hand ausfegen. Der Kunde möchte ihn besenrein zurück. „So | |
| bekommt man hier auch Bewegung, und morgen sitze ich dann auf dem Kran“, | |
| sagt er. Man macht eben jeden Tag etwas anderes am Westhafen. | |
| 12 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Franziska Maria Schade | |
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