# taz.de -- Zwischen den Rillen: Hier spricht die Bushaltestelle | |
The Maccabees: „Marks to Prove it“ (Caroline/Universal Music) | |
Ein Aufschrei setzt den Auftakt: Mit einer Lungenentleerung beginnt „Marks | |
to Prove it“, der energiegeladene erste Song auf der gleichnamigen Platte | |
der Maccabees. Dass die Indie-Rock-Band aus dem Süden Londons mit | |
gesammelten Kräften loslegt, unterstreicht nicht bloß dieser akustische | |
Startschuss. Ungeschliffene Gitarrenriffs und ein treibendes Spiel mit dem | |
Tempo setzen die Messlatte für den Rest des Albums hoch. | |
Nachdem die Maccabees auf ihrem opulenten Vorgängeralbum „Given to the | |
Wild“ vor drei Jahren mit flächigen Hymnen wie „Pelican“ ihr | |
Selbstbewusstsein demonstriert haben, überzeugt „Marks to Prove it“ nicht | |
mehr in erster Linie über die Dichte der musikalischen Mittel. Im | |
Gegenteil: Ihre Stärke scheinen die fünf Londoner in der Zurücknahme | |
gefunden zu haben. | |
## Eine Tonspur genügt | |
Am Ausgangspunkt von „Marks to Prove it“ stand der Wunsch nach Reduktion, | |
erzählt Leadsänger Orlando Weeks: „Wir wollten, dass dieses Album direkter | |
klingt, und versuchten mit einem Mindestmaß an Effekten und instrumentalen | |
Ebenen auszukommen.“ Gitarrist Felix White ergänzt: „Das heißt, wo wir | |
früher zehn Tonspuren hatten, gibt’s jetzt nur noch eine.“ | |
Dieser Versuch, sich aufs Wesentliche zu beschränken, hat dem Sound | |
gutgetan. Songs wie das balladenhafte „Kamakura“ oder „Ribbon Road“ bau… | |
auf einem soliden, basslastigen Grundgerüst auf und setzen Ornamentales wie | |
Chöre und Synthies bewusst ein. Das klingt zugänglich – und eingängig: | |
Spätestens beim dynamischen „Spit it out“ mit seiner Steigerung ins | |
Sphärische ist das Energielevel von „Marks to Prove it“ wieder erreicht. | |
The Maccabees haben 2007 als talentierten Teenieband ihren Erstling „Colour | |
it In“ veröffentlicht, und sind seither parallel zu ihrer Musik erwachsener | |
geworden: weniger Hitzköpfigkeit, mehr musikalischer Spielraum. Während die | |
Songs von Album zu Album ausgefeilter klangen, bewegten die Briten sich in | |
ihrer Heimat Schritt für Schritt in Richtung Chartspitze: Ihr Debüt stieg | |
auf Platz 24 der UK-Charts ein, der Zweitling „Wall of Arms“ (2009) bereits | |
auf 13. „Given to the Wild“ verhalf 2012 zu einer Platzierung unter den Top | |
Five, und einer Nominierung für den Mercury Prize. | |
Doch ihr Anspruch ist es nicht, Hits zu schreiben, betont Orlando Weeks: | |
„Im Studio suchen wir nicht nach Songs, sondern nach Musik.“ Meist | |
leisteten sie Knochenarbeit, bis sie irgendwo hängenbleiben, an einem | |
auffälligen Rhythmus, einer bestimmten Atmosphäre. Bei „Marks to Prove it“ | |
haben die Maccabees sich für diesen Prozess viel Zeit gelassen. Anfang 2014 | |
sollte das Album ursprünglich erscheinen, jetzt, eineinhalb Jahre später, | |
ist es fertig. Um zu sich selbst zu finden, hat die Band sich den | |
Einflüssen von außen weitgehend entzogen, erzählt Felix White. So sei das | |
neue Album etwa ohne Produzent entstanden. | |
Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Wunsch nach musikalischer Reduktion | |
und nach unabhängiger künstlerischer Verortung auch mit einer räumlichen | |
Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln einhergeht. Das Cover von „Marks to | |
Prove it“ zeigt ein Denkmal in Elephant & Castle, wo das Quintett ihr | |
Studio hat. Der aufstrebende Vorort im Süden Londons bildet den | |
thematischen Ankerpunkt des neuen Albums. „Die Songtexte entstanden aus | |
Sätzen, wie man sie in Elephant & Castle an der Bushaltestelle oder in der | |
Schlange im Supermarkt jeden Tag aufgeschnappt“, sagt Orlando Weeks. Das | |
Weiterspinnen der Alltagsfragmente zu Geschichten lässt im Banalen des | |
vorstädtischen Mikrokosmos eine magische Seite durchscheinen: „Dieses | |
Denkmal auf dem Albumcover zeigt etwas sehr Lokales – aber es sieht doch | |
auch ein bisschen wie ein Raumschiff aus, oder?“ Mirja Gabathuler | |
7 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Mirja Gabathuler | |
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