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# taz.de -- Vereinbarkeit nur gut für Papas
> Studie Männer sind Fans von Elternpolitik in der Firma. Kein Wunder: Sie
> schrauben ihre Arbeitszeit nur wenig zurück und erleben kaum schlechte
> Konsequenzen. Den Löwenanteil der Sorgearbeit tragen die Frauen – mit
> allen bekannten Nachteilen
Bild: Sind Frauen ängstlicher? Oder haben ihre Sorgen einen handfesten Hinterg…
von Josephine Schulz
In der Rushhour des Lebens kommt vieles zusammen. Zwischen 25 und 40 wollen
die Menschen im Job aufsteigen, eine Familie gründen, vielleicht die Welt
bereisen und ein Haus bauen. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist fast
unmöglich. Besonders die Vereinbarkeit von Job und Kindern bleibt eine
Herausforderung. Familienfreundliche Angebote vom Arbeitgeber können da
eine große Hilfe sein.
Eine Studie der Unternehmensberatung AT Kearney zur Vereinbarkeit von Beruf
und Familie kommt allerdings zu dem Schluss: Von den aktuellen
familienfreundlichen Programmen in Unternehmen profitieren fast
ausschließlich die Männer. „Politik und Wirtschaft haben berufstätige Vät…
als Zielgruppe entdeckt und dankbare Abnehmer gefunden“, sagt Martin
Sonnenschein, Herausgeber der Studie. Viele Unternehmen würden ihre
Maßnahmen explizit an die männliche Belegschaft richten.
Das zeigt offenbar Wirkung: 28 Prozent der Männer finden, dass sich die
Familienfreundlichkeit in ihrem Unternehmen in den letzten zwölf Monaten
verbessert hat, neun Prozent sehen eine Verschlechterung. Die Papas fühlen
sich von ihren Chefs verstanden – zumindest ein großer Teil.
„Familienfreundlichkeit bewegt sich zunehmend aus der Ecke der
Frauenförderung“, so Sonnenschein.
Bei den Frauen allerdings kommt die „Familienfreundlichkeit“ weit weniger
gut an. Sie seien eindeutig die Verlierer, sagt Sonnenschein. Denn sie
übernehmen nach wie vor den Löwenanteil der Sorgearbeit. Zehn Prozent der
Mütter finden, dass die Familienfreundlichkeit ihres Unternehmens im
vergangenen Jahr gesunken ist, nur jede Zwanzigste bemerkte eine
Verbesserung. Bei den 30- bis 39-jährigen ist die Unzufriedenheit noch
größer. Die Mütter haben vor allem Angst, dass die Inanspruchnahme von
familienfreundlichen Maßnahmen im Job Nachteile bedeutet. Sie fürchten,
dass ihr Ansehen beim Chef gefährdet ist, dass sie weniger attraktive
Aufgaben und weniger Geld bekommen. Väter haben diese Sorgen kaum.
Böse Zungen könnten nun behaupten, Frauen seien eben generell ängstlicher,
Männer einfach sorgloser und selbstbewusster. Allerdings haben die Ängste
der Mütter einen handfesten Hintergrund. Denn Frauen nehmen andere
Maßnahmen in Anspruch, die weit stärkere Einschnitte im Berufsleben
verursachen – längere Elternzeit, mehr Teilzeit. Väter machen stattdessen
eher von Arbeitszeitkonten und flexibler Wochenarbeitszeit Gebrauch.
Für die Aufgabenverteilung zu Hause bedeutet das: Sie bleibt klassisch.
Laut der Studie hat rund jede zweite Frau Erfahrungen mit Teilzeit, bei den
Männern ist es nur jeder zehnte. Wenn das Kind da ist, treten die Mütter
beruflich kürzer, die Männer höchstens ein bisschen. Das bestätigte erst
kürzlich eine Allensbach-Studie: In Teilzeit arbeitende Männer mit Vollzeit
berufstätigen Frauen sind Exoten. Die meisten Väter, die die Partnermonate
beim Elterngeld nutzen, gehen höchstens zwei Monate in Elternzeit, jeder
fünfte Vater nutzt das Angebot gar nicht.
Für die Frauen wird mit der vereinbarten Arbeitsaufteilung oft die
berufliche Zukunft entschieden, denn meistens bleiben Paare bei dem Modell,
auf das sie sich nach dem ersten Kind geeinigt haben – selbst wenn die
Männer eigentlich gerne mehr Zeit mit den Kindern verbringen und die Frauen
lieber länger arbeiten würden.
Die Professorin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Berliner
Wissenschaftszentrums für Sozialforschung, sieht Handlungsbedarf: „Wir
brauchen ein klar umrissenes politisches Modell.“ Im Moment stünden die
Menschen vor einem Flickenteppich, würden vom Ehegattensplitting und dem
Betreuungsgeld in die eine Richtung und von den Vätermonaten in die andere
Richtung gelenkt. Allmendinger plädiert dafür, stattdessen grundlegende
Probleme anzugehen: Die ungleiche Arbeitszeit von Männern und Frauen, ihre
unterschiedliche Bezahlung und die unterschiedliche Belastung mit der
Erziehungs- und Familienarbeit.
Die Politik könnte und müsste bei der Vereinbarkeit stärker nachhelfen,
aber auch in den Firmen ist viel Luft nach oben, und das Label
„familienfreundlich“ oft mehr Schein als Sein, meint Allmendinger. Viele
Unternehmen gestatten ihren Mitarbeitern mehr Flexibilität. In der Praxis
heißt das dann: Ein bisschen später kommen und ein Stündchen früher gehen
ist o. k., solange das Smartphone rund um die Uhr eingeschaltet und die
Mails im Fünf-Minuten-Takt beantwortet werden. Das Resultat der „flexiblen“
familienfreundlichen Arbeitszeit sieht dann wenig familienfreundlich aus:
Vierzig Prozent der Eltern erledigen einen Teil ihrer Arbeit in ihrer
Freizeit.
18 Aug 2015
## AUTOREN
Josephine Schulz
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