# taz.de -- Aufdringlichkeit zahlt sich aus | |
> Mindestlohn Wie Verleger und Bauernlobby bei Merkel Druck machten | |
BERLIN taz | Niemand soll in Deutschland für weniger als 8,50 Euro pro | |
Stunde arbeiten. Fast niemand. Außer den Zeitungszustellern, den | |
Praktikanten, Langzeitarbeitslosen und Saisonarbeitern. Vor einigen Wochen | |
gab Andreas Nahles zudem bekannt, die Dokumentationspflichten für den | |
Mindestlohn zu lockern. Für viele ein Beweis: Die Arbeitsministerin ist | |
erneut vor den Interessenvertretern der Wirtschaft eingeknickt. | |
Die Linksfraktion wollte von der Bundesregierung wissen, an welchen Stellen | |
Lobbyisten auf den Gesetzgebungsprozess eingewirkt haben. In der Antwort | |
der Regierung werden Treffen der Bundeskanzlerin, der zuständigen Minister | |
und Staatssekretäre aufgelistet. Das klammert bereits viel aus. Denn kluge | |
Lobbyisten wissen, dass sie ihre Wünsche so früh wie möglich bei den | |
Referenten einbringen müssen. | |
Aus der Liste der Treffen lässt sich dennoch ablesen, welche Verbände einen | |
besonders guten Draht ins Kanzleramt und in die Ministerien hatten. „Die | |
Lobbyisten der Verleger und der Bauernverbände hatten offensichtlich | |
erhöhten Gesprächsbedarf“, sagt der Wirtschaftsexperte der Linksfraktion, | |
Michael Schlecht. Mit neun Treffen hatten die Zeitungsverleger weit mehr | |
Kontakte als alle anderen Branchen. Ihnen galt zudem die erste Einladung | |
von Angela Merkel zum Thema Mindestlohn, noch vor dem Arbeitgeberverband. | |
Politiker seien eben besonders sensibel gegenüber Lobbyisten, wenn sie | |
befürchten müssten, dass diese sich für Unbotmäßigkeiten rächen könnten,… | |
Schlecht. Interessenvertreter aus der Landwirtschaft trafen sich laut | |
Antwort sechsmal mit Regierungsmitgliedern, damit gehören sie mit den | |
Lobbyisten des Handwerks und Baugewerbes ebenfalls zu den privilegierten | |
Gesprächspartnern. | |
Die Verantwortung für zahlreiche Sonderregelungen im Gesetz schiebt die | |
Regierung auf die Abgeordneten. Die Überprüfungsklausel beispielsweise, | |
nach der die Auswirkungen des Mindestlohnes in einigen Jahren evaluiert und | |
das Gesetz entsprechend geändert werden kann, sei auf Wunsch der | |
Parlamentarier eingefügt worden. Von welchen Lobbyisten sie umschwärmt | |
wurden, bleibt im Dunkeln. Schlecht meint: „Was im Einzelnen besprochen | |
wurde, wird sich leider nicht rausbekommen lassen.“ Ebenso wenig lässt sich | |
nachvollziehen, ob und welche Formulierungen im Gesetz aus der Feder von | |
Lobbyisten stammen. Die Antwort der Regierung lautet: „Keine.“ Josephine | |
Schulz | |
30 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Josephine Schulz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |