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# taz.de -- Der kleine Trick
> PRESSE In der Türkei droht 18 Journalisten eine Haftstrafe – auch dem
> Chefredakteur der „Cumhuriyet“
Bild: Vor der Cumhuriyet: Schwerbewaffnete Sicherheitsleute und ein Zaun sicher…
Aus Istanbul ÇiĞdem Akyol
Schon wieder droht türkischen Journalisten eine Haftstrafe, weil sie ihrer
Arbeit nachgegangen sind. Diesmal trifft es 18 Journalisten
unterschiedlicher Medien, die Fotos einer im März tödlich verlaufenden
Geiselnahme in Istanbul veröffentlicht hatten. Auf den Bildern ist zu
sehen, wie Linksextremisten ihrem Opfer, einem Staatsanwalt, eine Pistole
an den Kopf halten. Zu den Angeklagten, denen die Staatsanwaltschaft die
Verbreitung „terroristischer Propaganda“ vorwirft und denen nun bis zu
siebeneinhalb Jahren Haft droht, gehört auch Can Dündar, der Chefredakteur
der kemalistisch regierungskritischen Tageszeitung Cumhuriyet.
Dündar, einer der prominentesten Journalisten des Landes, ist es gewohnt,
von AKP-freundlichen Beamten verklagt zu werden, denn die Cumhuriyet ist
eines der wenigen Medien in der Türkei, das Regierungskritik wagt. Das
Blatt hatte Ende Mai Aufnahmen veröffentlicht, die eine Waffenlieferung für
Extremisten in Syrien aus der Türkei belegen sollen. Wegen Terrorpropaganda
und Spionage habe Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan persönlich gegen ihn
Anzeige erstattet, twitterte Dündar.
## Provokation
Die Cumhuriyet war die einzige Zeitung in der Türkei, die den Tabubruch in
dem überwiegen sunnitischen Land wagte und die Mohammed-Karikaturen
nachdruckte. „Es ging um die Verteidigung der Demokratie. Es war auch die
letzte Ehre, die wir den Hingerichteten erweisen konnten“, sagt die
Cumhuriyet-Journalistin Şükran Soner, „deswegen haben wir die Provokation
gewagt und unsere Leben riskiert.“ Sie ist sich sicher: „Unsere Leser sind
intelligent genug, um zwischen Anstiftung zum Religionshass, Solidarität
und Satire unterscheiden zu können.“ Websites, auf denen die Bilder gezeigt
wurden, wurden gesperrt. „Man sollte, was Menschen heilig ist, nicht
unbedingt mit Füßen treten. Aber man muss Satire aushalten können, so etwas
nennt sich Demokratie“, sagt Soner.
## Bissig
Die 69-jährige Journalistin steht in ihrem Büro der Cumhuriyet im
Istanbuler Stadtteil Şişli, einem mit Shoppingmalls zubetonierten Viertel.
Soner ist bekannt für ihre bissig-besonnenen Kommentare und ihre Kritik an
den Mächtigen; regelmäßig tritt sie bei politischen Fernsehdebatten auf.
Seit 1966 arbeitet sie beim Blatt, welches eine Auflage von 50.000
Exemplaren hat.
Nach dem Anschlag im Januar auf die Pariser Redaktion von Charlie Hebdo,
druckte Cumhuriyet in einer Sonderbeilage einige der Karikaturen nach. Weil
die Regierung davor gewarnt hatte und Polizisten sich deswegen diese
Ausgabe vor der Verteilung anschauten, wandten die Journalisten einen Trick
an. Sie spekulierten darauf, dass sie die Kontrolleure irreführen könnten,
indem die Autoren Ceyda Karan und Hikmet Çetinkaya zwei kleine
Mohammed-Karikaturen in ihren Kolumnen zwischen ganz viel Text versteckten.
Tatsächlich übersahen die Beamten die beiden Bilder; die Ausgabe mit
100.000 Exemplaren war nach wenigen Stunden ausverkauft. Weil ein wütender
Mob in die Redaktion eindringen wollte, mussten die umliegenden Straßen
tagelang abgesperrt werden. Wegen immer wiederkehrender Drohungen bewachen
schwerbewaffnete Sicherheitsleute das mit einem Zaun gesicherte Gebäude.
Nun drohen Karan und Çetinkaya bis zu viereinhalb Jahre Haft. Die
Staatsanwaltschaft in Istanbul hat Anklage erhoben und wirft ihnen vor, den
öffentlichen Frieden gestört und die religiösen Werte beleidigt zu haben,
das Verfahren wurde im Juli eröffnet.
7 Aug 2015
## AUTOREN
Cigdem Akyol
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