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# taz.de -- zwischen den rillen: Musik für mehr Facebookfreunde
Health: „Death Magic“ (Loma Vista/Caroline International)
„Ohne die Fans sind wir niemand. Wir brauchen viel mehr Fans“, bekannte die
Noiserockformation Health aus Los Angeles kürzlich auf Facebook.
Klar, das ist vor allem Selbstironie im Zeitalter von Social Media.
Anlässlich der Gründung 2005 hat man sich bewusst einen
Suchmaschinen-unkompatiblen Bandnamen zugelegt. Health stehen seit jeher
für Underground und Do-it-yourself. Die vier Kalifornier haben sich mit
ihrer Kombination aus Tribaldrum-Inferno, röhrenden Basslinien und
Gitarrenpedal-Mikrofon-Hybriden Marke Eigenbau längst ein Markenzeichen
erspielt. Sie gelten spätestens seit dem selbstproduzierten Album „Get
Color“ von 2009 als Meister eines Genres, das früher Mathrock und
Noiserock genannt wurde.
Und doch schlummert auch eine andere Wahrheit im Facebook-Aufruf.
Schließlich sind seit dem letzten Health-Album sechs Jahre vergangen. In
der Zwischenzeit eigneten sich Health Stile wie Witchhouse an. Allgemein
eroberte elektronische Musik den US-Mainstream. Ehemalige
Noiserock-Weggefährten von Health blieben dagegen auf der Strecke.
Dieser Wertewandel bedingt, dass sich Health auf ihrem dritten Album anders
ausrichten. „Death Magic“ setzt viel mehr auf eingängige Melodien und
Gesangshooklines und auf leicht bekömmlichen neugewellten Pop.
Zum ersten Mal arbeiten Health zudem nicht komplett autark, sondern holen
sich Toningenieur-Hilfe aus dem Umfeld von Kanye West und The Haxan Cloak.
Zwar sind Health nach wie vor auf einem Kleinstlabel zu Hause, ein
Generalverdacht der Kommerzialisierung scheint deshalb fehl am Platz.
Allerdings wagt sich das Quartett jetzt in überraschende Breitwand-Gefilde,
die bislang den Synthie-Pop-Altvorderen vorbehalten waren. Gitarrist Jake
Duzsik kommt dabei die entscheidende Rolle zu. Schrammten seine
Vokalübungen zwischen ätherischem Jauchzen und narkotisiertem Schreien
bislang immer am Radio vorbei, bewegt er sich nun im Powerplay-Modus:
Duzsiks androgyne Stimme klingt nun verständlich, gleichzeitig ist der
Distortionregler seiner Gitarre fast runtergedreht.
Am überschwänglichsten klingt dieser Stilwechsel bei „L.A. Looks“ und
„Life“. Zwischen schwelgerischen Begehren und Boom-Clap-Hall wähnt man sich
urplötzlich im Banne von Erasure. Ganz so radikal geglättet präsentieren
sich die mutablen Kalifornier aber nicht über die volle Länge. „Salvia“ u…
„Flesh World (UK)“ experimentieren mit harten Überschall-Beats und
körperlosem Gesang und sagen laut Techno und Industrial. Duzsiks
zähflüssiger Gesang zollt vor allem Kevin Shields von My Bloody Valentine
Tribut.
Die New-Romantic-Hymne „Stonefist“ hingegen pauscht unverhohlen beim
Original ab: Es wummert so gothic, dass man Martin Gore als Songwriter
wähnt. Diese neue Richtgröße für „Death Magic“ erklärt Health-Bassist
Famiglietti unumwunden: „Depeche Mode sind eine Wegmarke für die
Kombination von elektronischen und melodischen Elementen im Rock.“ Anstatt
wie viele Kollegen in die Noisepunk-Annalen einzugehen, verabschieden sich
Health also vom Primat des Mathrock. So wie das Chaos ihres Debütalbums
einer konzentrierten Rhythmusorientierung wich, rückt auf „Death Magic“ nun
New Wave in den Fokus. Das hat durchaus Potenzial für neue, aufgeschlossene
Fankreise. Alles außer Veränderung wäre nach sechs Jahren Wartezeit auch
enttäuschend gewesen. MATTHIAS MANTHE
14 Aug 2015
## AUTOREN
Matthias Manthe
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