# taz.de -- Wahlkampf in Baden-Württemberg: Das politische Stuttgart kichert | |
> Die CDU macht erstmals Wahlkampf aus der Opposition. Ein Rezept gegen den | |
> grünen Landesvater Winfried Kretschmann hat sie nicht. | |
Bild: Der CDU-Spitzenkandidat für die anstehende Ba-Wü-Wahl in 2016: Guido Wo… | |
Die Situation der Union in Baden-Württemberg lässt sich gut am Menüplan | |
erklären. Rund 150 Gäste haben sich an diesem sonnigen Samstag im | |
Schulzentrum von Adelsheim im Odenwald versammelt. | |
Mitglieder, Bürger und Interessengruppen sollen an Umwelt und | |
Nachhaltigkeitspositionen für das Parteiprogramm werkeln. | |
„Programmwerkstatt“ heißt dieser offene Prozess, den es bei der | |
Südwest-Union vorher nie gab. | |
Zu Mittag gibt es dann Grünkernbratlinge – mit oder ohne Speck. Soll aber | |
bloß keiner denken, man hätte sich neben der offenen Diskussion auch noch | |
den Speiseplan von der Konkurrenz abgeschaut. Grünkern, betont der | |
Vorsitzende des Landesverbands Peter Hauk deshalb später, sei seit über | |
hundert Jahren eine Spezialität der Region. Tradition also, und für die ist | |
im Land bekanntlich die CDU zuständig. | |
Es sind noch neun Monate bis zur Landtagswahl in Baden-Württemberg und die | |
CDU versucht sich im Spagat zwischen Tradition und Moderne. Noch nie seit | |
1958 musste sie hier aus der Opposition heraus Wahlkampf machen und nach | |
vier Jahren Grün-Rot ist im Land wenig Wechselstimmung zu spüren. Die CDU | |
stellt zwar die meisten Abgeordneten im Landtag und dominiert noch immer | |
viele Rathäuser und Landratsämter, aber Winfried Kretschmann ist als grüner | |
Ministerpräsident derart beliebt, wie es schon lange kein CDU-Mann mehr | |
war. | |
## Nur nicht zu konservativ | |
Den Sprung zurück in die Regierung versucht die CDU mit einem Kandidaten, | |
der nicht nur beim Wahlvolk, sondern auch erst einmal innerhalb der Partei | |
bekannt gemacht werden muss. Guido Wolf heißt er und war eine Weile im | |
Stuttgarter Landtag, zuletzt als Parlamentspräsident, wenig auffällig. Dass | |
es Wolf vergangenen Dezember gelungen war, sich gegen den Politprofi Thomas | |
Strobl in einer Urwahl durchzusetzen, war eine Überraschung. | |
Jetzt, neun Monate vor der Wahl sucht die CDU nach der richtigen Taktik und | |
der Kandidat sein Profil: Allzu beherzt nach der Macht sollte er nicht | |
greifen, das würde zu sehr an den kraftmeierischen Vorgänger Stefan Mappus | |
erinnern, von dem vor allem juristische Auseinandersetzungen geblieben | |
sind. Persönliche Angriffe gegen den beliebten Landesvater verbieten sich | |
ohnehin. Allzu konservative Positionen verschrecken Großstädter. | |
Und so eiert Guido Wolf. Er spricht sich gegen das Adoptionsrecht von | |
Schwulen und Lesben aus, und als er dafür Kritik einstecken muss, | |
korrigiert er seine Position ein wenig. Er tritt Bayerns | |
Ministerpräsidenten Horst Seehofer bei der Diskussion über Stromtrassen zur | |
Seite, bis er merkt, dass dessen Politik auch gegen die Interessen | |
Baden-Württembergs gerichtet sein könnte. Als er stolz seine Werbeagentur | |
präsentiert, die Pepp in den Wahlkampf bringen soll, posiert er für ein | |
Foto mit dem Team ausgerechnet vor zehn großen Windmaschinen. Das | |
politische Stuttgart kichert. | |
## Politik des Gehörtwerdens | |
Vielleicht auch zur Selbstvergewisserung veranstaltet die Partei nun also | |
Programmwerkstätten, wie hier in Adelsheim. Eine Politik des Gehörtwerdens, | |
wie sie Kretschmann propagiert, nur eben in Schwarz. Im Publikum dominieren | |
ältere Herren in Kurzarmhemden. Als einzige Frau auf der Bühne darf | |
Generalsekretärin Katrin Schütz Wein und Blumen überreichen. Vom Motto | |
„mehr Diskussion weniger Akklamation“, das Strobl morgens ausgegeben hatte, | |
bleibt an diesem Vormittag wenig: Das Programm sieht nur eine knappe Stunde | |
für Diskussionen in den Arbeitsgruppen vor. Der Rest ist für offizielle | |
Reden und die Auswertung vorgesehen. | |
Immerhin ist einer der Redner des Tages Klaus Töpfer, zuletzt | |
Exekutivdirektor des Umweltprogramms der UNO, und seit 30 Jahren das grüne | |
Gewissen der Union. Der frühere Bundesumweltminister erzählt davon, wie er | |
damals in den 80er Jahren zusammen mit Helmut Kohl den Katalysator gegen | |
massive Widerstände der Autoindustrie durchgesetzt hat. Er widerspricht | |
Guido Wolf, den er nur „den Herrn Spitzenkandidaten“ nennt, offen und | |
meldet Bedenken gegen das Freihandelsabkommen TTIP an. | |
Töpfer bekommt viel Applaus. Vier Stunden später steht dann wieder wenig | |
Überraschendes auf den Flipcharts: „Windräder, ja aber“ ist da zu lesen u… | |
auch: „Mehr Umgehungstrassen statt mehr Tempolimits“ und sogar „Extraspur… | |
für mehrfach besetzte Autos“. Irgendwie bleibt der Eindruck: In der | |
baden-württembergischen CDU wäre einer wie Klaus Töpfer noch heute | |
Avantgarde. | |
17 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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