# taz.de -- Der Star, der aus der Hitze kam | |
> NACHRUF Omar Sharif, als Schauspieler eine universale Attraktion, ist | |
> tot. Er spielte einen legendären Araber und Juri Schiwago, aber auch | |
> deutsche Generäle und Che Guevara | |
Bild: Omar Sharif (1932–2015) | |
von Dietmar Kammerer | |
Diese drei Minuten haben sein Leben verändert und die Filmgeschichte. Bevor | |
Omar Sharif 1962 in „Lawrence von Arabien“ als ein unendlich ferner, kaum | |
erkennbarer Punkt am Horizont der Wüste auftauchte, war er ein | |
Schauspieler, der außerhalb seines Heimatlandes Ägypten praktisch unbekannt | |
war. Nachdem seine Figur, eine kleine Ewigkeit später, die flirrende Hitze | |
durchquert hatte, um schließlich leinwandfüllend, majestätisch und | |
monumental vor Peter O’Toole zu stehen, war ein Weltstar geboren. | |
Sharif kam 1932 in Alexandria in Ägypten als Maechel Shalhoub zur Welt, | |
Sohn eines melkitischen Katholiken aus dem Libanon und einer Mutter | |
syrischer Abstammung. Den Künstlernamen Sharif wählte er des orientalischen | |
Klanges wegen, in seinen Filmen war er allerdings nie auf eine Nationalität | |
festgelegt. Hollywood erkannte rasch, dass der Schauspieler mit den immer | |
leicht melancholischen Augen und dem unbestimmt exotischen Charme eine | |
universale Attraktion besaß, die nicht durch zu enge Rollenauswahl | |
eingeschränkt werden durfte. | |
So verkörperte Sharif in den 1960er Jahren Figuren beinahe beliebiger | |
Herkunft, meist vor welthistorischem Hintergrund. Er war ein armenischer | |
König in „Der Untergang des römischen Reiches“ (1964), der Herrscher der | |
Mongolen in „Dschingis Khan“ (1965) oder ein deutscher Wehrmachtsoffizier | |
im besetzten Warschau in „Die Nacht der Generäle“ (1966). 1968 schlüpfte … | |
sowohl in die Uniform des österreichischen Kronprinzen Rudolf ("Mayerling“) | |
als auch in die des Argentiniers Ernesto „Che“ Guevara in einem Biopic, das | |
den Ruhm des erst ein Jahr zuvor getöteten „Comandante“ möglichst nahtlos | |
vermarkten wollte. Vor allem aber war er, erneut unter der Regie von David | |
Lean, der russische Arzt Juri Schiwago, der die Wirrnisse und die Gewalt | |
der Revolutionsjahre überlebt, am Ende aber an gebrochenem Herzen stirbt. | |
Ab den 1970er Jahren gelangte Sharif durch seine Affären, seine | |
Spielleidenschaft und seine Wettschulden öfter in die Schlagzeilen als | |
durch seine Leinwandauftritte. Auch hier schien er anfangs erfolgreich: | |
1973 wurde der passionierte Kartenspieler immerhin Weltmeister im Bridge, | |
gründete sein eigenes Team und publizierte mehrere Ratgeber; auch ein | |
Computerspiel trägt seinen Namen. Allerdings soll er, nach eigenen Angaben, | |
im Laufe der Jahre in Casinos und bei Pferderennen mehrere Millionen Dollar | |
verloren haben, was ihn wohl dazu zwang, in Filmen mit Titeln wie | |
„Frankensteins Spukschloss“ aufzutreten. | |
Hollywood habe ihn berühmt gemacht, aber auch einsam, beklagte er einmal in | |
einem Interview. Aus Angst, die unter Nasser eingeführte restriktiven | |
Regeln der Vergabe von Reisevisa könnten seiner internationalen | |
Filmkarriere schaden, entschied Sharif sich dafür, Ägypten dauerhaft zu | |
verlassen, um in Europa vor allem in Hotelzimmern zu leben. Die ständige | |
Entfernung von seinem Heimatland habe, so gab er später an, zur Trennung | |
von seiner Frau geführt, der Schauspielerin Faten Hamama, mit der er seit | |
1955 verheiratet war. | |
Zu einem Skandal führte 1968 Sharifs Affäre mit Barbara Streisand, an deren | |
Seite er in der Musical-Verfilmung „Funny Girl“ auftrat. Nicht nur war er | |
zu diesem Zeitpunkt noch offiziell verheiratet. Streisands öffentliches | |
Engagement für Israel war Ägypten nach dem verlorenen Sechstagekrieg zudem | |
ein besonderer Dorn im Auge. Die Regierung drohte damit, ihm die | |
Staatsbürgerschaft zu entziehen. | |
In den 1980er Jahren musste Sharif sich mit Nebenrollen und Auftritten in | |
obskuren TV-Produktionen zufrieden geben. Erst 2003 gelang ihm mit | |
„Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ ein internationales Comeback in | |
der Rolle eines türkischen Ladenbesitzers. | |
Sharif, der auf der Leinwand so oft Figuren in politisch turbulenten Zeiten | |
spielte, erlebte den Arabischen Frühling und die Demonstrationen auf dem | |
Tahrirplatz von dem Balkon seines Kairoer Hotelzimmers aus. Es muss ein | |
seltsamer Anblick gewesen sein: Hoch oben der alternde Salonlöwe, „der | |
berühmteste Ägypter der Welt“ (Sharif über Sharif), der Angehörige der | |
verhassten Oberschicht. Unten die Jugend und die Entrechteten des Landes, | |
die für ihre Zukunft kämpften. | |
Ob die Demonstrierenden ihn erkannt haben? Ob er für sie mehr war als nur | |
ein unendlich ferner, kaum erkennbarer Punkt an ihrem Horizont? Er hat sich | |
mit ihnen solidarisiert. Als einer der ersten Prominenten seines Landes | |
sprach Sharif sich öffentlich für einen Rücktritt Mubaraks aus. | |
Im Mai dieses Jahres wurde bekannt, dass Sharif schon seit einigen Jahren | |
an Alzheimer litt. Am 10. Juli ist er in Kairo an einem Herzinfarkt | |
gestorben. | |
13 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Dietmar Kammerer | |
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