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# taz.de -- Berliner Szene: Kommende Unbeweglichkeit
> Der liebe Rücken
Selten laufe ich die Voigtstraße ganz hoch. Denn hinter der Eldenaer wartet
Toom. Und ich möchte meiner Freundin keinen Vorwand liefern, mir den
Auftrag zu erteilen, mich im Baumarkt mit Artikeln für auf die lange Bank
geschobene Heimwerkertätigkeiten einzudecken.
Diesmal muss ich aber zum Frischeparadies, weil Melanies Eltern aus Bamberg
zu Besuch sind und gesund bekocht werden möchten. Zwischen Bänsch- und
Dolziger gibt es ein Fitnessstudio. Körperformen: EMS Training für den
Rücken lese ich. Ach ja, der liebe Rücken.
Vielleicht sollte ich das Angebot nutzen und endlich damit beginnen, wozu
mir Orthopäden raten, seitdem ich volljährig bin: meiner Wirbelsäule
endlich die Fürsorge zukommen lassen, die nötig ist, damit ich auch im
Alter noch ein Mindestmaß an Beweglichkeit habe. Durch die Scheiben kann
man nicht ins Innere schauen, aber die Tür steht offen. Bevor ich etwas
erblicke, vernehme ich eine Stimme: „Los, ein letztes Mal! Du schaffst es!“
Offensichtlich arbeitet man hier mit professionellen Motivatoren. Ein etwas
übergewichtiger Mann zieht breitbeinig und mit tiefstehendem Becken an
einem schwarzen, an einer Maschine befestigten Gummiband. Sein Gesicht ist
rot vor Anstrengung. Erneut wird er vom Trainer angefeuert: „Los! Du
schaffst es! Nur noch einmal!“
Ich muss an die Trainierenden bei Superfit im Ringcenter denken, die ihre
schweißtreibende Übungen immer vor den Augen der Kunden der übrigen Gewerbe
verrichten müssen, weil die Fenster nicht abgedunkelt sind. Schon das wäre
mir zu exponiert. Hier hört zudem noch jeder Passant, wie man von seinem
Coach angeschrien wird. Wieso tut sich der Mann dies an? Hat er denn gar
kein Schamgefühl? Ich schon. Mein Rücken muss warten. Stephan Serin
10 Jul 2015
## AUTOREN
Stephan Serin
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