# taz.de -- Auf (aus) Kunst gebaut | |
> AUSSTELLUNG Eine Gemeinschaftsausstellung zeigt in der Weserburg unter | |
> dem Titel „Auf anderen Gründen“ die Arbeiten von 15 MeisterschülerInnen | |
> der Hochschule für Künste | |
Bild: „Blick über die Wellen“ von Eva Naomi Watanabe | |
von Nele Wagner | |
Da hängt ein Tau aus der Weserburg. Aus einem Loch in einem Brett, da wo | |
sonst ein Glasfenster ist, läuft es in die kleine Weser. Wenn das Wasser | |
ganz tief steht, ungefähr zwei Stunden am Tag, sieht man den Anker am Ende | |
des Taus. Hinter dem Brettfenster ist das Tau quer durch eine Raumhälfte | |
gespannt und um eine dicke, weiße Säule gebunden. | |
Die von Zahra Onsori gestaltete Tau-Installation verankert die Weserburg | |
symbolisch. „Das ist eine politische Arbeit, die fragt, inwieweit ist Kunst | |
Rückbindung an Gesellschaft und wie braucht sie Rückbindung an | |
Gesellschaft“, sagt Ingo Clauß, Kurator der Gemeinschaftsausstellung „Auf | |
anderen Gründen“. Unter diesem Titel werden die Arbeiten von 15 | |
MeisterschülerInnen des Studiengangs Freie Kunst der Hochschule für Künste | |
Bremen in der Weserburg gezeigt. Den Ausstellungstitel wählten die | |
KünstlerInnen selbst und beziehen sich auf den Schriftzug an der Außenmauer | |
der Weserburg „Auf Sand gebaut“ und „Tatsächlich auf (aus) anderem Grund… | |
Hauptsächlich sind verschiedene Formen von Rauminstallationen oder | |
-inszenierungen vertreten, aber auch Fotografie, Malerei und Skulptur. | |
Ausgestellt sind teils eine Arbeit, teils mehrere Arbeiten der | |
KünstlerInnen, angeordnet in jeweils einem eigenen Raum oder Bereich. | |
Mit der Gemeinschaftsausstellung der MeisterschülerInnen ist auch dieses | |
Jahr die Verleihung des Karin-Hollweg-Preises verbunden, der mit 15.000 | |
Euro dotiert ist. Das Preisgeld ist zur einen Hälfte ein Geldpreis, die | |
andere wird als Projektmittel für eine Einzelausstellung verwendet. In | |
diesem Jahr erhielt Tobias Heine den Karin-Hollweg-Preis. Sehr exakt und | |
reduziert rückt er Alltagshandlungen und -gegenstände in den Fokus und | |
setzt sich in abstrakter Form mit Ästhetik auseinander: ein Haken, vier | |
Handtücher. Drapiert an einer schlichten, weißen Wand, geschichtet und sich | |
überlagernd in matten Farben: unten blau, darüber rot-orange, dann grün und | |
oben türkis. Gegenüber eine Videoinstallation, die erst einmal wirkt wie | |
ein großes Foto. Hände. Die Hände des Künstlers, übereinander gelegt. Erst | |
einmal warten, abwarten, mal gucken, was Du anpacken willst. Erstmal Kaffee | |
kochen. Tatsächlich beginnen die Hände nach 17 Minuten dann auch, einen | |
Espresso zu brühen. | |
Die Lust zu gestalten und auszuprobieren prägt die Stoffinstallation von | |
Emre Meydan. Grob strukturierte Cremefarbe gestaltet die Oberfläche des | |
Gewebes, das sich über zwei Wandhälften erstreckt und leicht in den Raum | |
ragt. Aus der unteren Wandhälfte läuft der Stoffinstallation eine graue | |
Farbfläche entgegen. | |
Eine weitere Arbeit, ein kleines Gemälde, in heller Farbpalette gemalt und | |
mit Gewebe bearbeitet, hängt vor einem Wandbruch: Das Sonnenlicht wirkt in | |
das Bild hinein. Das Unfertige und Unvollständige einzubeziehen, prägt die | |
Arbeit Meydans. | |
Ganz anders, aber ebenso beeindruckend, arbeitet Eva Naomi Watanabe mit | |
Struktur und Brüchen. Aus Gipsstreifen und Holz hat sie eine | |
überlebensgroße, weiß-bläulich gefärbte Frauenskulptur gestaltet. „Blick | |
über die Wellen“ lautet der Titel der Arbeit, und wie eine verletzte, aber | |
starke Meeresgöttin ragt die Skulptur aus dem Boden. Ihre Oberfläche ist | |
stark strukturiert, der Brustbereich ist geprägt von Rissen und Brüchen, | |
die teils notdürftig genäht sind. Ihr Blick ist stolz, prüfend und | |
reserviert. Ihre übergroße Hand wendet sich leicht öffnend den | |
BetrachterInnen zu. Zugleich ist diese Meeresgöttin eine einfache, | |
menschliche Figur, die genauso gut eine Frau in der Straßenbahn darstellen | |
könnte. Darin offenbart sie grundlegende Aspekte des Mensch-Seins. Die | |
Figur trägt ihre Brüche, Risse und Wellen nicht zur Schau, aber sie | |
verbirgt sie auch nicht. Sie gehören einfach zu ihr. „Eine Geste oder | |
Haltung, kurze Momente, bilden den Ausgangspunkt meiner Arbeiten“, erzählt | |
Watanabe. | |
Mehrere große Tonschalen, unglasiert, mit Rissen und Brüchen sind Teil der | |
Arbeit „Cartografia“ von Lucas Odahara. Stücke einer Schale liegen | |
zerbrochen auf dem Boden. Eine Karte an der Wand daneben zeigt auf weißem | |
Hintergrund Drucke der Bruchstücke der Tonschale, die sich am Boden | |
wiederfinden. Odahara beschäftigt sich mit der portugiesischen Entdeckung | |
des heutigen Brasiliens im Jahr 1500. Die Landmasse wurde anfangs für eine | |
Insel gehalten, und tatsächlich wirken die Bruchstücke auf der Karte wie | |
Inseln. Die Karte erfasst nur Bruchstücke und ordnet sie in einem weißen, | |
leeren Raum an. | |
Dunkel ist es erst einmal in dem sechs Meter langen Durchgang, wirklich | |
dunkel. Effrosyni Kontogeorgou hat schwarz getünchte Gipswände hochgezogen, | |
die einen schmalen Gang bilden. In der Kammer am Ende des Gangs befindet | |
sich ein Pergament, das man erst einmal eher hört denn sieht, und ein Loch | |
in der Wand. Eine 24 Jahre lang verborgene Raumnische liegt hinter dem | |
Wandloch. Dort hat Kontogeorgou Leuchtstoffröhren angebracht, die durch das | |
Loch hindurch das Pergament beleuchten. Mit der Zeit, auf das Pergament | |
blickend, ergibt sich ein Eindruck: Lichtspuren. | |
Die Ausstellung würdigt die Arbeiten der MeisterschülerInnen in ihrer | |
Vielfalt und Kraft. Sehr behutsam ermöglicht die Raumaufteilung den | |
Arbeiten, ihre Wirkung zu entfalten. Obwohl mit den jeweiligen Werken | |
unterschiedliche Assoziationen und Gefühle verbunden sind, wirkt die | |
Ausstellung nicht überladen. Arbeiten, die eher schwer und beklemmend | |
wirken, werden abgelöst von solchen, die verspielt oder technisch sind. | |
bis 25. Oktober, Weserburg | |
4 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Nele Wagner | |
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