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# taz.de -- „Wie Zahnschmerzen“
> Krise Am Samstag findet der erste Selbsthilfe-Tag statt. Gespräch mit
> Karin Blana vom Verein Silberstreif über Hilfestellungen
Bild: Wenn alles im Nebel versinkt
Interview Philipp Idel
taz: Frau Blana, Sie helfen Frauen dabei, sich selbst zu helfen. Warum?
Karin Blana: Weil ich vor langen Jahren selbst eine Krise hatte und es
damals keine funktionierenden Selbsthilfegruppen gab. Für Frauen, die eine
Lebenskrise hatten, gab es damals nur die Möglichkeit, sich vom Hausarzt
ein Antidepressivum verschreiben zu lassen oder in Therapie zu gehen. Eine
Frau, die traurig ist, muss aber nicht gleich depressiv sein.
Wie verlaufen solche Krisen? Wann entscheidet sich eine Frau für eine
Therapie – oder eben die Selbsthilfegruppe?
Irgendwann erschrickt die Frau über ihren Zustand. Sie fragt sich, was mit
ihr los ist. Ihr Freundeskreis will erfahrungsgemäß nach drei, vier Monaten
nichts mehr von ihren Problemen wissen. Bald spricht sie auch nicht mehr
mit der Familie. Die Frau zieht sich immer weiter zurück. Wenn sie noch
arbeitet, muss sie sich zusammenreißen. Irgendwann gefriert ihr das Lächeln
im Gesicht. Dann lässt sie sich krankschreiben, weil sie total erschöpft
ist.
Mit welchen Problemen kommen die Frauen zu Ihnen?
Ganz oft haben sie Trennungen hinter sich. Aber auch Probleme, die oft in
den Wechseljahren auftreten: Die Kinder ziehen aus, der Mann hat plötzlich
eine Freundin. Manchmal ist eine Frau auch überlastet, wenn sie die kranke
Mutter pflegen muss.
Ihr Motto ist: „Selbsthilfe vor Therapie“. Warum ist Selbsthilfe einer
Therapie vorzuziehen?
Nicht vorzuziehen. Wenn eine Frau eine Trennung hat, ist aber eben nicht
unbedingt eine Therapie notwendig. Nur wenn grundsätzlichere Fragen wie
„Was ist eigentlich in meiner Kindheit passiert?“ auftauchen, sollte eine
Einzeltherapie gemacht werden. Die meisten Frauen gehören nicht in die
psychiatrische Versorgung.
Sie unterstützen Selbsthilfegruppen. Ist es nicht problematisch, etwas zu
organisieren, was von den Frauen selbst ausgehen sollte?
Das finde ich nicht. Das Problem ist nur, dass wir so selten gefunden
werden. Manche Frauen haben eine richtige Odyssee hinter sich, bevor sie zu
uns kommen.
Wie kommt es zur Gruppenbildung? Und wie geht es dann weiter?
Die Frauen rufen an. Dann gibt es ein Vorgespräch, in dem geklärt wird, ob
die Frau stabil genug für die Selbsthilfegruppe ist. Sie muss
Eigenverantwortlichkeit mitbringen, denn sie kann sich bei uns nicht
einfach „in die Hängematte legen“. Dann kommt sie in eine Gruppe. Dort hat
sie eine Probezeit von vier Wochen. Die Gruppe wird angeleitet, bis sie
stabil ist.
Könnten die Gruppen denn nicht auch ohne Ihre Anleitung arbeiten?
Das ist wie bei einem Kind. Da kann die Mutter auch nicht einfach sagen:
Lauf los. Das Kind muss erst einmal an der Hand der Mutter gehen – und sie
dann irgendwann von allein loslassen. Wir haben Gruppenregeln, die mit den
Jahren entstanden sind. Beispielsweise gibt es in jeder Selbsthilfegruppe
eine Anarchistin, die jede Regel ablehnt und die Arbeit erschwert. Das wird
bei uns verhindert.
Was ist das Frauenspezifische ihres Ansatzes?
Das Quatschenlassen. Die Heilung funktioniert wie bei der Krankengymnastik:
Man macht immer wieder die gleiche Übung. Und hier heißt die Übung: immer
wieder über die Probleme reden.
Trauern Frauen anders als Männer?
Meiner Erfahrung nach: ja. Es gibt aber sicher auch Männer, die großen
Redebedarf haben. Meistens gehen Männer aber eher in die Aktivität – oder
setzen sich gar nicht mit ihrer Trauer auseinander. Manche Männer werden
dann depressiv, verwahrlosen. Das ist bei Frauen eher selten. Die spüren
eher, wenn sie Hilfe brauchen.
19 Jun 2015
## AUTOREN
Philipp Idel
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