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# taz.de -- Konsum: Kaufen und die Welt retten
> "Deutsche, macht in Deutschland Urlaub!" lautet die neue Parole. Im
> Klartext: Mit Konsum soll repariert werden, was der Konsumismus
> angerichtet hat.
Bild: Urlaub in Balkonien. Schont auch die Umwelt.
## Kaufen und die Welt retten
## Deutsche, macht in Deutschland Urlaub!, lautet die neue Parole. Sie fügt
sich in ein Stakkato ähnlicher Appelle: Mit Konsum soll repariert werden,
was der Konsumismus angerichtet hat
VON ROBERT MISIK
Bahn fahren statt Fernreisen, auf den Brocken statt auf die Balearen, Harz
und Heringsdorf statt Himalaja: Die Deutschen sollen in Deutschland Urlaub
machen. Die Politik überschlägt sich derzeit mit ihren Appellen an den
bewussten Verbraucher: Bei der Urlaubsplanung soll der CO2-Ausstoß künftig
ein Entscheidungskriterium sein. "Auf Flugreisen zu verzichten, ist ein
guter privater Beitrag zum Klimaschutz", sagte Ulrich Kelber, Fraktionsvize
der Sozialdemokraten, der Bild am Sonntag. Von Bayern bis Berlin stimmten
Vorder- und Hinterbänkler in das Lied mit ein.
Die Aufrufe häufen sich dieser Tage: Mit dem richtigen Konsum kann man sich
nicht nur etwas Schönes gönnen, sondern auch noch die Welt retten.
Leute, kauft Hybridautos von Toyota!, riet Grünen-Fraktionschefin Renate
Künast, was noch einen Aufschrei all jener zur Folge hatte, die sich um
hunderttausende Arbeitsplätze bei BMW oder Volkswagen sorgen. Aber der
Trend zum Konsum mit gutem Gewissen ist nicht aufzuhalten. Lifestyleblätter
propagieren den Kauf von Energiesparlampen. Die grellen Röhren sind zwar
noch zwanzig Mal teurer als Glühbirnen, aber praktisch nicht mehr
umzubringen. Vor allem aber setzten sie 80 Prozent der eingespeisten
Energie in Licht um - herkömmliche Glühbirnen gerade mal 10 Prozent. Würden
alle Europäer umsteigen, der gesparte Schadstoffausstoß - etwa der
Kraftwerke - entspräche dem, was mehr als eine Million Autos jährlich in
die Atmosphäre blasen.
Dass der Ökokonsum das Image von Jute statt Plastik, Latzhose und Bioladen
längst abgelegt hat, konnte jeder sehen, der vergangene Woche Vanity Fair
aufschlug. Ausgerechnet im "Stil"-Ressort des Hochglanzblattes wurden unter
der Überschrift "Grüne Welle" acht schicke Schlitten empfohlen, bei deren
Kauf man nicht nur reichlich PS, sondern auch noch ein gutes Gefühl
mitgeliefert bekommt. Sogar BMW hat schon ein cooles Coupé im Angebot, das
gerade 4,9 Liter pro hundert Kilometer verbraucht. Der CO2-Ausstoß ist mit
131 Gramm pro Kilometer vorbildhaft.
Ob beim ökologisch verantwortlichen Konsum oder beim Kauf von
Fairtrade-Produkten - der moralische Verbraucher ist es, auf dessen
Schultern die Hoffnung auf eine bessere Welt zu ruhen scheint. Statt
Gesetze, die die Marktökonomie steuern und regulieren würden, sollen
"nichtökonomische Werte" selbst in den Marktprozess eingespeist werden.
Über neue Art von Marktverhalten soll bisheriges "Marktversagen" korrigiert
werden. Der Kapitalismus hats angerichtet? Macht nichts. Der Kapitalismus
machts wieder gut.
Der Kulturtheoretiker Nico Stehr hat gerade ein sehr gelehrtes Buch
herausgebracht, in dem er diese seltsame "Moralisierung der Märkte"
analysiert. Stehrs These: Die "angeblich strikt voneinander getrennten
sozialen Rollen des Konsumenten und des Bürgers" nähern sich an.
Schließlich wisse man doch längst, dass Märkte nicht bloß zweckrationale
Veranstaltungen sind. Wer ein Gut kauft, will in der Regel nicht nur ein
möglichst billiges Gebrauchsgut, sondern erwirbt damit auch kulturelle
Güter - Lifestyle-Gadgets. Ein Ding ist nicht nur in seiner Dinghaftigkeit
nützlich, sondern ein Nutzen des Erwerbs kann sein, dass man sich gut
fühlt.
Früher kaufte man Güter ihres Gebrauchswertes wegen. Je umkämpfter die
Konkurrenzmärkte, umso mehr versuchten die Unternehmen, die Dinge mit
Kultur aufzuladen, um sachlich gleiche Dinge subjektiv unterscheidbar zu
machen. Im Lifestylekapitalismus dreht sich die Priorität zunehmend um. Das
Primäre ist der Lifestyleaspekt des Konsums - die praktische Seite der
Chose wird ohnehin vorausgesetzt und ist deshalb nebensächlich.
Wer einen iPod kauft, bekommt Coolness mitgeliefert, die Mitgliedschaft in
der globalen iPod-Community. Wer ein fair gehandeltes oder ökologisch
korrektes Auto kauft, erwirbt ein gutes Gewissen - und nebenbei auch noch
ein Ding mit Rädern, das fährt. Die Unternehmen machen sich den Wunsch der
Konsumenten, die mit den Dingen ein gutes Gefühl mitgeliefert bekommen
wollen, zunehmend zunutze.
Ist das gut? Aber klar doch. Ist das auch ein bisschen lächerlich?
Zweifellos. Ist das vielleicht sogar gefährlich? Leider ja. Denn ein
Problem des Moralkonsums ist, dass der Eindruck erweckt wird, vernünftiges
Shopping könne Regeln ersetzen. Mit den Kapitalisten ist es wie mit den
Kindern: Sie brauchen Regeln. Und wer ist dafür da, verbindliche Regeln zu
formulieren? Got it! Die Politiker! Wie wärs, wenn sie sich über strengere
ökologisch-technologische Richtlinien für die Produktion der Dinge Gedanken
machen würden, statt so zu tun, als könnte "der Verbraucher" durch
Selbststeuerung die Probleme lösen, die nur durch klare Regeln entschärft
werden können?
5 Mar 2007
## AUTOREN
Robert Misik
## TAGS
Harz
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