# taz.de -- Cyberkrieg: Rechner schwenken Rot-Kreuz-Fahne | |
> Eine Markierung soll Krankenhaus-Server gegen Cyberattacken schützen. | |
> ForscherInnen arbeiten an einem Völkerrechtsschutz. | |
Bild: Vom Völkerrecht geschützt - nur nicht im Cyberkrieg. | |
Cyberattacken auf staatliche Einrichtungen sind nicht bloß Stoff für | |
Science Fiction. Das machten jüngst einmal mehr die Überlastungsangriffe | |
deutlich, welche nach der Verlegung eines russischen Ehrenmals Anfang Mai | |
tagelang estnische Regierungswebseiten lahmlegten. Die Offiziellen in | |
Tallinn sprachen daraufhin von einem "IT-Krieg". | |
Doch selbst im Krieg ist nicht alles erlaubt. Ähnlich wie verschiedene | |
Genfer Konventionen Minimalrechte von Verwundeten, Schiffbrüchigen oder | |
Gefangenen festschreiben, wird es vielleicht schon bald eine Stockholmer | |
Konvention für die virtuelle Kriegführung geben. Die würden dann etwa den | |
Angriff auf einen Krankenhaus-Rechner oder auf lebenswichtige | |
IT-Infrastruktur zu einem Cyberkriegsverbrechen erklären. | |
ForscherInnen am staatlichen schwedischen Verteidigungsforschungsinstitut | |
FOI arbeiten bereits an Wegen, Server und Netzwerke von Institutionen, die | |
beispielsweise in einem Krieg völkerrechtlichen Schutz vor Luftangriffen | |
genießen würden, vor Cyberattacken zu schützen. Wie ein rotes Kreuz oder | |
ein roter Halbmond auf einem Krankenhausdach oder der Karosserie eines | |
Krankenwagens soll eine digitale Markierung einem Angreifer unübersehbar | |
klar machen, dass eine Attacke ein durch das Völkerrecht geschütztes Ziel | |
treffen würde. | |
Technisch wäre eine solche Markierung laut David Lindahl, IT-Forscher beim | |
FOI, kein großes Problem. Cyberattacken, welche sich nicht nur gegen | |
einzelne Rechner richten wollten, würden vermutlich versuchen eine ganze | |
Spanne von IP-Adressen die individuelle Nummer, die jeder Rechner im | |
Internet hat abzudecken. Dieser Cyberangriff träfe dann alle ausgewählten | |
Adressen gleichermaßen - ganz egal, ob dahinter ein Rechner des Militärs, | |
eines Kaufhauses oder der städtischen Wasserversorgung stünde. | |
Um das zu vermeiden, könnten völkerrechtlich geschützten Institutionen zum | |
Beispiel speziell definierte IP-Adressen zugewiesen werden. Denkbar sei | |
aber auch eine technische Lösung bei welcher sich das Netzwerk einer | |
solchen Institution gegenüber Angriffen als geschütztes identifizieren, | |
also gleichsam mit einer virtuellen Rot-Kreuz-Fahne winken würde. | |
Die eigentlichen Schwierigkeiten erwartet Lindahl auf politischer Ebene. | |
Grundvoraussetzung sei, dass es eine weltweite Akzeptanz für ein | |
Cyberkriegsrecht gebe. Was bisher schon deshalb nicht der Fall sei, weil | |
manche Staaten Cyberangriffe grundsätzlich als nicht legitim bewerteten. | |
Und deshalb auch ein "Kriegsrecht" ablehnten, das implizit eine Attacke auf | |
nicht-markierte Ziele dann eben nicht als Völkerrechtsverstoss bewerten | |
würde. | |
Ausserdem könne ein virtuelles Rotes Kreuz terroristische Cyberangriffe, | |
die sich gezielt auf lebenswichtige zivile IT-Infrastruktur oder eben | |
gerade auf den Rechner eines Atomreaktors richten wollten, womöglich auch | |
noch erleichtern. Und schließlich könnte natürlich so eine Fahne auch | |
missbraucht werden - ähnlich wie es in konventionellen Kriegen einen | |
Missbrauch von mit Rot-Kreuz-Symbol gekennzeichneten Lastwagen zur Tarnung | |
für Waffentransporte gegeben hat. | |
Die Grausamkeit der Schlacht von Solferino und die Hilflosigkeit der | |
verwundeten Soldaten veranlassten einen Henri Dunant vor bald eineinhalb | |
Jahrhunderten zur Gründung des Roten Kreuzes und der Initiative zur ersten | |
Genfer Konvention. Für den "Cyberkrieg", den FOI-ExpertInnen eigentlich nur | |
für eine Frage der Zeit halten, werde ein Völkerrecht wohl auch erst | |
zusammen mit den praktischen Erfahrungen über die Formen und Auswirkungen | |
von Cyberattacken heranwachsen, glaubt Cecilia Hellman, Völkerrechtlerin an | |
der schwedischen Verteidigungshochschule. Den "erschreckenden Unterschied" | |
zu einem Angriff mit konventionellen militärischen Mitteln sieht sie dabei | |
aber darin, dass man es nicht mit wenigen Staaten, sondern mit erheblich | |
mehr Angreifern zu tun haben kann. Schließlich kein im Prinzip ein | |
Einzelner so einen Computerangriff fahren. Gerade deshalb sei es "höchste | |
Zeit sich darauf vorzubereiten". | |
21 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Cyberkriminalität | |
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