# taz.de -- Rostock: Schöner Leben ohne Naziläden | |
> Im einzigen linken Szenestadtteil Mecklenburg-Vorpommerns hat ein Laden | |
> mit Neonazi-Kleidung aufgemacht - für SPD-Politiker eine "Provokation". | |
Bild: Einziges Szeneviertel im Bundesland: Rückseite der Kröpeliner Straße i… | |
ROSTOCK taz Im "East Coast Corner" (ECC) schaut selten Laufkundschaft | |
vorbei. Das Angebot des kleinen Ladens in Rostock - Pullover der | |
Bekleidungsmarke Thor Steinar und T-Shirts mit dem Slogan "Lieber Zicke als | |
Zecke" - passt nicht so recht zu den Anwohnern des Viertels. Das | |
Geschäftsmotto "Von der Bewegung - Für die Bewegung" findet wenig Anklang. | |
Denn hier im Stadtteil Kröpeliner-Tor-Vorstadt bewegen sich vor allem | |
Studierende. In unmittelbarer Nähe des Geschäfts findet das Nachtleben der | |
Hansestadt statt - bunt und alternativ. "Das ist das einzige wirkliche | |
Szeneviertel in diesem Bundesland", sagt eine Studentin. Seit aber gerade | |
hier die Hamburger Neonazis Torben Klebe und Thorsten de Vries einen Laden | |
eröffneten, hat sich die Atmosphäre im Viertel verändert. | |
Vor dem Laden stehen zur Geschäftszeit mehrere Kameraden der Neonazis auf | |
dem schmalen Gehweg. Anwohner beschweren sich über Pöbeleien wegen | |
"falscher" Kleidung oder Hautfarbe. Viele wechseln gleich auf die andere | |
Seite der Doberaner Straße. "Fast täglich kommt es zu Angriffen und | |
Bedrohungen", berichtet Tim Bleis vom Opferverein "Lobbi". "Ein Paar, das | |
in der Nachbarschaft wohnt, traut sich schon nicht mehr auf die Straße", | |
berichtet er. Andere hätten Angst, ihre Kinder zur Schule zu schicken. | |
"Die Anmietung des Ladens in dem eher links ausgerichteten Stadtteil ist | |
eine gezielte Provokation", sagte unlängst Norbert Nieszery (SPD), | |
Vorsitzender des Innenausschusses des Landtages, der regionalen Presse. Die | |
Proteste gegen das Geschäft seien "allzu leicht nachvollziehbar". | |
Bereits die Eröffnung des ECC am 15. Juni hatte energische Proteste | |
ausgelöst. Spontan waren an die 60 Demonstranten zu dem Geschäft gezogen. | |
Die Eröffnungsgäste wie David Petereit, Mitarbeiter des | |
NPD-Landtagsabgeordneten Birger Lüssow, griffen gleich zu Metallstangen. | |
Eine Eskalation blieb aber aus. Anders war die Lage in den Abendstunden des | |
23. Juni, als über 150 Demonstranten vor den ECC zogen. Bei weiteren | |
Protesten gingen Scheiben kaputt, Jalousien und Eingangstür wurden | |
beschädigt. | |
Dies war Grund genug für die NPD-Landtagsfraktion, den Kameraden zu helfen. | |
Bereits bei der Geschäftseröffnung schaute der NPD-Abgeordnete Birger | |
Lüssow vorbei. Am Dienstag lud die Fraktion um Udo Pastörs zu einem | |
Ortstermin ein. Erneut protestierten Anwohner. Prompt klagte Pastörs über | |
"rechtsfreie Räume". | |
Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Volker Schlotmann wirf der NPD | |
vor, "bewusst Öl ins Feuer zu gießen". Die NPD verfolge eine doppelte | |
Strategie, sagt Schlotmann. Sie wolle ihre Präsenz im ländlichen Raum nun | |
auch in die Städte ausdehnen und den Eindruck erzeugen, der Staat sei nicht | |
in der Lage, ihre Anhänger zu schützen. Letzteres solle "möglicherweise | |
eine eigene Schutztruppe, also eine Pseudo-SA, rechtfertigen". De Vries | |
tönte bereits: "Die Linken haben die Machtfrage gestellt." | |
Rechtliche Handhabe gegen den Laden hat die Stadt nicht. Stephanie | |
Hameister, Leiterin des Ortsamtes Mitte, sagt aber, der Eigentümer, ein | |
Kaufmann aus Hamburg, sei getäuscht worden. Nun, so hat er Hameister | |
versichert, werde geprüft, ob und wie der Mietvertrag aufgelöst werden | |
könnte. | |
Für Samstag hat der NPD-Abgeordnete Lüssow einen Aufmarsch "gegen den roten | |
Terror" angemeldet. Von 13 bis 23 Uhr wollen knapp 500 Kameraden | |
demonstrieren. "Eine Gegenkundgebung ist angemeldet", sagt Susan Schulz, | |
Sprecherin der Rostocker Grünen. Unter dem Motto "Schöner Leben ohne | |
Naziläden" ruft ein Bündnis zu einer Kundgebung ab 12 Uhr mitten im Viertel | |
auf. | |
29 Jun 2007 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rechtsradikalismus: Kritik an Polizei nach Rostocker NPD-Demo | |
Die Polizei spricht von Links-rechts-Krawall - Opferberater halten das für | |
eine skandalöse Fehleinschätzung |